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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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nicht mehr, sondern sagt immer: »Mein Freund Theodor.«
    Auch seine Gattin, die dem Herrn Tiburius zur Zeit seiner Narrheit besonders gram gewesen war, schäzt und achtet ihn jezt bedeutend: Maria aber wird von ihr auf das Herzlichste und Innigste geliebt, und liebt sie wieder.
    Mit dem treuen reinen Verstande, der dem Erdbeermädchen eigen gewesen war, fand sie sich schnell in ihr Verhältniß, daß man sie in ihm geboren erachtete, und mit ihrer naiven klaren Kraft, dem Erbtheile des Waldes, ist ihr Hauswesen blank, lachend und heiter geworden, wie ein Werk aus einem einzigen, schönen und untadelhaften Guße.
    Tiburius ist nicht der erste, der sein Weib aus dem Bauernstande genommen hatte, aber nicht alle mochten so gut gefahren sein, wie er. Ich habe selbst Einen gekannt, dem sein Weib alles auf ihren lieben, schönen, ländlichen Körper verschwendete.
    Der Vater Marias, weil es ihm in dem leeren Muldenhäuschen zu langweilig geworden war, lebt bei seinen Kindern, wo er in dem Stübchen die Uhr hat, welche sonst in der Stube seines Wohnhauses gehangen war.
    So wäre nun bis hieher die Geschichte von dem Waldsteige aus. - Zulezt folgt eine Bitte: Herr Theodor Kneigt möge mir verzeihen, daß ich ihn immer schon wieder Tiburius geheißen habe; Theodor ist mir nicht so geläufig und gegenwärtig, wie der gute liebe Tiburius, der mich damals so furchtbar angeschnaubt hatte, als ich sagte: »Aber Tiburius, du bist ja der gründlichste Narr und Grillenreiter, den es je auf der Erde gegeben hat.«
    Habe ich nicht recht gehabt?
    Nachschrift
. In dem Augenblike, da ich dieses schreibe, geht mir die Nachricht zu, daß der einzige Kummer, das einzige Uebel, der einzige Harm, der die Ehe Marias und Tiburius getrübt hat, gehoben ist - es wurde ihm nehmlich sein erstes Kind, ein lustiger schreiender Knabe, geboren.
     
     

Der Kuss von Sentze
     
     
    In einem Waldwinkel liegen drei seltsame Häuser oder Schlösser.
    Das eine Haus liegt an dem Abhange eines Berges. Es ist aus einem rötlichen Steine erbaut, der hier und da eine sanfte Rosenfarbe hat, an dessen Ecken stehen große, runde Türme, und die Fenster und Tore haben den Rundbogen und sind mit einem schneeweißen Steine eingefaßt. Von dem Hause geht ein Garten nieder, der allerlei Bauwerk hat und in einer Art Verwüstung ist. Unterhalb des Gartens spaltet sich der Hauptberg in zwei Nebenberge, gleichsam zwei grüne Kissen, die gegen das Tal hinabgehen. Und auf der Wölbung dieser Kissen liegen die zwei ändern Häuser. Sie sind genau wie das obere gebaut, nur kleiner, und das eine ist ganz aus dem weißen Steine, das andere ganz aus dem roten.
    Diese drei Häuser heißen die Sentze. Das weiße heißt die weiße Sentze, das rote die rote Sentze und das obere die gestreifte Sentze. Sonst sind keine Häuser vorhanden. Rückwärts geht der Waldhang empor, vorwärts senken sich Bühel vollends hinab, zwischen ihnen und an ihren Seiten rauschen Bäche in die Tiefe, und unten ist das Tal mit Gebüsch erfüllt. Weiter draußen links, wenn man von den Sentzen kommt, beginnen die Häuser von Wermelin, das der Volksmund Werblin nennt.
    Von der alten Zeit sind die Nachrichten über die Häuser spärlich. Ein Mann soll einmal, da noch der wilde Wald war, die alte Burg gebaut haben. Er hatte zwei Söhne, die in beständigem Hader lebten. Da sagte er einmal: »Durch einen Kuß hat Judas den Heiland verraten, und das ist die schlechteste Tat gewesen, die auf der Erde verübt worden ist. Ihr solltet euch einmal küssen, und von da an sollte keiner dem ändern ein Leid tun, weil sonst noch ein Judaskuß auf der Welt wäre.«
    Die Brüder küßten sich zu einer guten Zeit und hatten dann eine solche Furcht vor dem Judaskusse, daß sie fortan nicht mehr haderten, ja sich oft zu der nämlichen guten Handlung vereinigten. Die Sache wurde in dem Geschlechte der Sentze forterzählt, da es unter den Nachkommen manche Streitbare gab, sie wurde wiederholt, sie wurde endlich bräuchlich und zuletzt gar eine Satzung. Die Streitenden konnten den Kuß verweigern, dazu hatten sie das Recht; hatten sie ihn aber einmal gegeben, dann mußten sie Frieden halten. Man hat später die Veranlassungen zu dem Kusse aufgeschrieben, und wenn wieder solche kamen, hat man das Aufgeschriebene vorgelesen oder zu lesen gegeben. Es sind keine Nachrichten vorhanden, ob einmal einer von Sentze die Verpflichtung aus dem Kusse gebrochen hat.
    Im Laufe der Zeiten war einmal nur ein Vater mit zwei Söhnen von dem

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