Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
Kirche.
Um das Folgende zu verstehen, ist hier einzufügen: Unter dem Gewimmel von hübschen jungen Kavalieren, die die Damen hier umschwärmten, war mehr als einer, der es auf die Gräfin abgesehen hatte und ihr heimlich huldigte in seinem Herzen, wie es die Jugend pflegt, die auf gar viele der kostbaren Vögel zielt in der Hoffnung, wenigstens einen davon zu treffen; es waren aber selber lauter lose Vögel, naschige Gelbschnäbel, die über ihr Gebetbuch hinweg mehr nach den Bänken der Damen schielten als nach dem Altar und dem Priester.
Darunter war nun einer, dem die Gräfin von Zeit zu Zeit das Almosen eines freundlichen Blicks gönnte, weil sein ganzes Wesen tiefer und weniger flatterhaft schien als das der andern. Er benahm sich auch gesitteter, lehnte immer still und unbeweglich an derselben Säule und schien schon ganz glücklich beim bloßen Anblick der Dame seines Herzens. Ein sanfter, melancholischer Ausdruck lag auf seinem blassen Gesicht. Diese Züge sprachen von einem starken Herzen, von einem Herzen, das sich von heftiger Leidenschaft nährt und imstande ist, sich mit Wollust in den Abgrund einer verzweiflungsvollen Liebe zu stürzen. Er gehörte einer seltenen Rasse von Menschen an; denn im allgemeinen schwärmt dieses Höflingsvolk mehr für das Ding an sich, für das Ding als solches, als für die geheimen Seligkeiten, die in den Tiefen und Abgründen der Seele blühen.
Dieser Edelmann war einfach, aber sauber und anständig, ja im einzelnen sogar nicht ohne Zierlichkeit und persönlichen Geschmack gekleidet. Die Gräfin hielt ihn für einen armen Glücksritter, der von weither gekommen war und dessen ganze Habe in seinem Mantel und seinem Degen bestehen mochte. Und so, weil sie ihn arm glaubte und weil sie wohl bemerkt hatte, daß er sie liebte, auch ein wenig, weil ihr seine gute Haltung gefiel, ebenso wie seine schönen dunklen Haare, sein schlanker Wuchs zusammen mit seiner bescheidenen und ergebenen Miene, wünschte sie ihm von ganzem Herzen alle Gunst der Frauen, Frau Fortuna mit inbegriffen. Sie selber pflegte als gute Hausfrau keinen Vorteil zu vernachlässigen, auch nicht in den verliebten Angelegenheiten, und also hütete sie sich wohl, die stumme Huldigung des Unbekannten kurzerhand abzuweisen, vielmehr ermutigte sie ihn, wenn sie gerade aufgelegt war, mit manchem aufmunternden Blick, von dem sie wohl wußte, wie er ihm tief in die Seele drang.
In Wahrheit spottete sie seiner, denn sie war gewohnt, mit ganz andern Dingen ihr Spiel zu treiben als mit der Ergebenheit eines armen Ritters; sie war nicht umsonst die Frau des Konnetable, dieses Abenteurers, der um Königreiche spielt wie andre um Silbermünzen.
Erst vor drei Tagen war's, als sie beim Austritt aus der Kirche, indem sie die Königin auf den jungen Ritter aufmerksam machte, leichthin äußerte, das sei sicher ein Mann von Qualitäten.
Diese Redewendung war damals neu. Später wurde es Brauch, von jedem noch so lausigen Höfling und dummen Junker als von einem Homme de qualité zu reden; aber die erste, die sich so ausgedrückt und der unsere Sprache das zierliche Wort verdankt, ist niemand anders als die Frau Gräfin von Armignac. Die Frau Konnetable hatte den Ritter gleich richtig eingeschätzt. Er war der vollkommene Herr von Habenichts. Mit Namen hieß er Julien de Boys-Bourredon, also daß man auf deutsch sagen würde Julian von Sindelwald; aber er hatte von seinem Lehen und Wald nicht so viel Holz geerbt, um sich einen Zahnstocher davon machen zu können, und besaß keine andre Ausstattung, als die ihm seine verstorbene Mutter schon bei der Geburt mitgegeben. Daran fehlte allerdings nichts, und er hielt diesen Reichtum für hinlänglich, um durch ihn bei irgendeiner reichen und vornehmen Dame sein Glück zu machen. Denn die Erfahrung hatte ihn gelehrt, wie hoch von den Damen bei Hof seine Art Ausstattung taxiert und eingeschätzt wird, wenn auch der Mann damit mehr Staat machen kann bei Nacht als bei Tag, und er wüßte nur zu gut, daß es viele seinesgleichen gab, die auf diesem Wege hochgestiegen sind. Bis jetzt hatte er recht als Verschwender der mütterlichen Mitgift gelebt und weder Kapital noch Renten in acht genommen; aber das wurde anders, als er eines Tags in die parfümierte Messe kam und seine Augen die Gräfin erblickten. Da erfuhr er zum ersten Male, was die wahre Liebe sei. Und diese paßte aufs prächtigste zu seinen Einkünften; denn er vergaß darüber das Essen und Trinken und vieles andre,
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