Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
schmutziger Wäsche und wollte damit das Schloß verlassen. Aber unter dem Portal stieß sie auf einen Bewaffneten, der sich taub stellte gegen alles, was sie vorbrachte. Da entschloß sie sich zu einem ganz absonderlichen Akt von Selbstverleugnung, sie suchte dem Soldaten von seiner schwachen Seite beizukommen, und das gelang ihr auch mit den ihr geläufigen Mittelchen vollkommen, trotzdem der Mann vom Kopf bis zu den Füßen in Stahl und Eisen verpackt war. Aber hinaus ließ er sie hinterher doch nicht. Sie probierte es dann noch mit einem schönern und jüngern, ob er nicht galanter wäre, aber keiner von allen, weder Hellebardier noch Armbrustschütze, wollte sie durchschlüpfen lassen und wenn es auch durch ein Mauseloch gewesen wäre. »Ihr seid recht garstig und undankbar«, rief sie, »so wenig Gleiches mit Gleichem zu vergelten.« Infolge dieser Scharmützel aber wußte sie nun wenigstens, was die Glocke geschlagen hatte, und kam zurück, um ihrer Herrin Bericht zu erstatten. Aufs neue hielten die beiden Frauen Rat. Sie brauchten aber nicht soviel Zeit, als nötig ist, zwei Halleluja zu singen, um in Anbetracht dieses ganzen Kriegsapparats, dieser Wachen, Besatzungen, Vorposten und all der verdächtigen, unheimlichen, teuflischen Anordnungen und Befehle, besonders mit Hilfe des sechsten Sinnes, der den Frauen verliehen ist, zu erkennen, welch unfehlbare Gefahr den Geliebten bedrohte.
Zugleich erfuhr die Gräfin, daß es ihr persönlich freistand, zu gehen, wohin sie wollte. Sie glaubte also nichts Besseres tun zu können, als von ihrem Recht Gebrauch zu machen. Aber sie kam nicht weit. Schon in Steinwurfslänge vom Portal kehrte sie wieder um; denn sie hatte bemerkt und gleich verstanden, daß ihr Herr vier Pagen befohlen hatte, der Gräfin unweigerlich das Ehrengeleit zu geben, und ebenso zwei bewaffneten Schildwachen, ihr zu folgen wie ihr Schatten. Die arme Frau Konnetable kam in ihr Zimmer zurück und weinte heftiger als alle heiligen Magdalenen zusammen, die man je in Kirchen und Kapellen auf frommen Bildern gesehen hat.
»Ach!« rief sie ein über das andre Mal, »mein armer Freund soll vernichtet werden, ich soll ihn nicht mehr wiedersehen, dessen Worte so süß, dessen Liebkosungen so köstlich waren. Ich soll ihm nicht mehr die zarte Wange streicheln, nicht mehr die süße Stimme hören; das liebe Haupt, das so oft auf meinen Knien geruht, wird blutend in den Staub sinken. Könnte ich doch meinem Mann an seiner Stelle einen unnützen Hohlschädel unterschieben, einen lausigen Grindkopf an Stelle dieses duftigen Lockenhaupts.«
»Wenn es nur das ist!« rief die Wäscherin; »können wir da nicht den Hundejungen, der mir ergebener ist als ein Hund selber, denn er liebt mich und ist mir zum Überdruß – können wir den nicht in ritterliches Gewand stecken und ihn also aufgeputzt an die verhängnisvolle Pforte bringen?«
Um die Lippen der Gräfin legte sich ein böses Lächeln.
»Gebt acht«, nahm die Wäscherin von neuem die Rede auf; »wenn die Soldaten den Tolpatsch hingestreckt haben, werden sie eiliger nach dem Weinfaß laufen als Nonnen nach der Mette.«
»Aber wird der Herr den Buben nicht erkennen?«
Und die Gräfin versank in Nachsinnen. Sie griff sich ans Herz: »Ach, nein«, rief sie, »es muß ein Edelmann sein; in dieser Sache muß edles Blut fließen.«
Sie dachte von neuem nach. Plötzlich aber sprang sie freudig auf, und die Wäscherin umhalsend, rief sie: »Durch deinen Rat rette ich meinen Freund, ich werde dir's danken mein Leben lang.« Sie trocknete ihre Tränen, glättete ihr Gesicht, daß sie aussah wie eine kleine Heilige, hakte sich die Almosentasche an den Gürtel, nahm ihr Gebetbuch zur Hand und machte sich unverzüglich auf den Weg nach der Kirche zu Saint-Paul, wo gerade die Glocken zur letzten Messe läuteten.
Als eine Dame, die viel Langeweile hat wie alle Damen der Hofgesellschaft, versäumte sie nie diese Messe, die man die ›parfümierte‹ nannte, denn es roch und duftete dabei nach allen Wohlgerüchen der Welt, nach den feinsten Essenzen und Spezereien all der geputzten Hofdamen und geschniegelten Herren, und man sah dabei keine andern Sporen als goldene und keine andern Kleider als von Brokat und kostbaren Stickereien.
Die Gräfin ließ also die brave Wäscherin, der sie die Sorge um das Haus übertrug, im höchsten Erstaunen zurück und kam, von den Pagen und von zwei Fähnrichen und ihrer bewaffneten Kompagnie begleitet, mit großem Pomp in die
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