Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Gemüter zu glauben geneigt sind. Am Portal des Schlosses zögerte die Gräfin einen Augenblick einzutreten; wieder traf ihr einladender Blick den armen Ritter. Den Guten überrieselten alle Schauer der Seligkeit. Zitternd ergriff er die Hand, die die Gräfin ihm darreichte und die ebenfalls zitterte, aber aus andren Gründen. Also schritten sie zusammen durch das Tor. In diesem verhängnisvollen Augenblick empfand die Gräfin wohl ein leises Bedauern darüber, daß sie den treuen Savoisy nicht anders retten konnte, als daß sie ihn verriet; allein als resolute Dame wurde sie über kleine Gewissensbisse so gut Herr wie über große, und indem sie den Arm ihres Kavaliers etwas fester an sich zog, sprach sie leise: »Folgt mir auf mein Zimmer, ich muß mit Euch sprechen.«

     
    Und er, ohne Ahnung, daß es um sein Leben ging, fand keine Antwort, das Glück machte ihn stumm. Die Wäscherin konnte sich nicht genug verwundern, wo nur ihre Herrin in der kurzen Zeit einen so schönen Edelmann aufgegabelt hatte.
    »Ich sehe«, sagte sie, »die Damen vom Hof sind uns hierin weit überlegen.« Darauf machte sie dem Junker eine tiefe Reverenz zum Zeichen ihrer ironischen Hochachtung vor einem Manne, der den unbegreiflichen Mut hatte, für so eine Geringfügigkeit in den Tod zu gehen.
    »Picarde«, flüsterte die Frau Konnetable, indem sie die Wäscherin am Rock ein wenig auf die Seite zog, »wo soll ich nur den Mut hernehmen, ihm zu gestehen, womit ich seine treue Liebe und Anhänglichkeit zu vergelten im Begriff stehe?«
    »Warum es ihm sagen?« erwiderte das Weib; »Ihr könnt ihn mit gutem Gewissen nach der Pforte des Todes schicken. Im Krieg sterben so viele Leute für nichts und wieder nichts, dieser da weiß wenigstens, warum er stirbt. Und wenn er Euch leid tun sollte, wie leicht ist ein anderer gemacht!«
    »Nein«, rief die Gräfin, »ich will ihm alles gestehen, das soll meine Buße sein.«
    Unterdessen stand der Junker auf der Seite und sah den Fliegen zu; denn er meinte, die beiden Frauen würden zusammen gewisse Vorbereitungen und Zubereitungen besprechen, darin er sie nicht stören wollte. Er fand bei sich, daß sich die Gräfin ein wenig kühn benehme, aber es schien ihm auch, und einem Buckligen hätte es ebenso geschienen, daß sie allen Grund dazu hatte; er hielt sich für durchaus würdig, dieser schönen Dame eine so tollkühne Liebe einzuflößen.
    Wie er so dachte, näherte sich ihm die Gräfin. Sie zog ihn in ein Nebengemach. Hier fiel auf einmal die hohe Dame von ihr ab, und sie machte sich klein und demütig.
    »Monsieur«, rief sie, indem sie ihm zu Füßen sank, »ich habe ein furchtbares Unrecht an Euch getan, höret: Ihr könnt dieses Schloß nicht lebendig verlassen, Ihr seid unfehlbar dem Tode geweiht. Eine heftige Liebe zu einem andern hat mich zu diesem Verbrechen getrieben ... Ihr könnt seinen Platz nicht einnehmen in meinen Armen, nur in den Tod werdet Ihr für ihn gehen. Zu diesem Vergnügen und keinem andern habe ich Euch geladen.«

     
    »Schöne Frau«, erwiderte Boys-Bourredon, indem er eine schwarze Verzweiflung, die in seiner Seele aufsteigen wollte, mit Gewalt unterdrückte, »schöne Frau«, sagte er, »ich danke Euch, daß Ihr über mich verfügt habt wie über Euer Eigentum. Ich liebe Euch über alles, und Tag und Nacht war es mein einziger Wunsch, Euch das anzubieten, was der Mann nur einmal geben kann, wie ja ihrerseits auch die Damen tun (nur daß sich's da um eine andere Sache handelt); nehmt also mein Leben.«
    Bei diesen Worten sah der Ritter sie an, und es war, als ob er mit diesem einen Blick alles hätte ausschöpfen wollen, was er, wenn er glücklicher gewesen wäre, durch ein verzücktes Anschauen in Tagen und Jahren an Seligkeit und Glück einzutrinken vermocht haben würde. Die Gräfin war nicht unempfindlich gegen solche Worte einer hohen Tapferkeit und Liebe. »Ach«, rief sie, indem sie sich erhob, »daß ich doch Savoisy nicht gekannt hätte, wie würde ich Euch geliebt haben.«
    »Beruhigt Euch«, sagte der Ritter fest, »mein Los war mir längst vorhergesagt; die Astrologen, die mir das Horoskop gestellt haben, haben es in den Sternen gelesen, daß ich durch die Liebe einer hohen Dame sterben werde. Aber bei Gott«, rief er, indem er an seinen Degen faßte, »ich will mein Leben teuer verkaufen. Und ich will mich nicht beklagen, da die glücklich wird durch meinen Tod, die ich über alles liebe. So werde ich in ihrem Herzen und Gedächtnis sicherer und länger

Weitere Kostenlose Bücher