Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
stark sein.
Zusammen schaffen wir das!«
»Du
liebe Güte!«, entfuhr es Sofie, als sie vorsichtig in das
Zimmer spähte. Erschrocken hielt sie sich die Hand vor dem Mund.
Die Eltern der Kinder hatten sie nicht bemerkt. Der Mann umarmte
seine Frau vor der Haustür. Seine Kleidung war pitschnass. Er
war vermutlich gerade zur Tür hereingekommen. Überzeugt,
sie würde spinnen, sah Sofie zu den beiden Wiegen. Dort
schlummerte das eine Baby, während das andere sie immer noch
aufmerksam beobachtete. Mariana ,
konnte das möglich sein? Befand sie sich tatsächlich im
Haus von Noel und Mariana? Dann wären die beiden Babys Keila und
Minoush! Sofies Herz machte Sprünge, als würde sie einen
Marathon laufen. »Das kann nicht wahr sein«, flüsterte
sie voll Entsetzen. Sie ging auf die Wiegen zu. Blaue schimmernde
Augen verfolgten sie.
„ Und
ihre strahlend blauen Augen erloschen, als sie uns die Freiheit
schenkte … „
Sofie
kannte diesen Satz aus den Geschichtsvorträgen der Universität.
Sie musste das Baby einmal berühren. Dann würde sie wissen,
ob sie wirklich hier war, ob das Baby tatsächlich Minoush war –
die heilige Minoush.
Plötzlich
wurde die Tür hinter ihr aufgerissen und Mariana kam herein.
Mariana hielt verwirrt den Atem an, während sich Sofie vor
Schreck umdrehte. »O nein! Bitte nicht erschrecken, ich tu ihr
nichts! Ich weiß nicht, wieso ich hier bin. Ehrlich, ich möchte
nichts Böses!« Sofies Herz sprang wie wild in ihrer Brust
hin und her. Vor Schreck war sie ein zweites Mal rücklings vor
das Fenster gesprungen und hielt ihre Hände als Zeichen guter
Absichten erhoben. Gleich würde Mariana sie verhexen, sie
unschädlich machen. Schließlich versteckte sie sich in
ihrem Kinderzimmer. Was würde sie selbst an ihrer Stelle tun?
Dasselbe!
»Minoush!
Wieso schläfst du denn nicht? Du weißt doch, du sollst das
mit deinen Augen nicht machen. Was ist, wenn es jemand sieht? Keila
ist brav und schläft.« Mariana hatte geflüstert und
war zu Minoush gelaufen. Sie beachtete Sofie nicht, als wäre sie
nicht da. Als Mariana das Kind auf den Arm nahm, hörten seine
blauen Augen auf zu strahlen. Dennoch glänzten sie wunderschön
in dem dunklen Zimmer und blickten weiterhin, ohne zu blinzeln, auf
Sofie. Sie hörte Schritte auf die Tür zukommen und wich vor
dem Mann zurück, der nun in das Zimmer trat.
»Mariana
wieso schläft sie nicht? Hat sie uns gehört?« Noel
beachtete Sofie genauso wenig. Seine Stimme war getränkt in
Besorgnis. Es war unmöglich, dass die Familie sie übersehen
konnte. Sie stand im dunklen Teil des Raumes, doch das Zimmer war
nicht groß. Nur ein Blinder hätte sie übersehen. Aber
war sie überhaupt anwesend? Vielleicht war es nur eine
Täuschung. Noel nahm seine Frau zusammen mit dem Kind in den
Arm.
Sofie
war die Szene unangenehm, sie gehörte nicht hierher. Just in
diesem Moment schien ihr Körper zu explodieren.
*
Ihre
Haut brannte wie Feuer. »Was zum Teufel war das?« Sofie
keuchte und schlug die gebrechliche Hand des Alten weg.
»Das
war die heilige Familie von Minoush«, erklärte der Mann,
als wäre dies keine besondere Neuigkeit.
»Aber
das ist unmöglich! Sie sind vor über fünfhundert
Jahren gestorben! Sie wurden umgebracht … von den Wölfen!«
Es war beängstigend. Jedes Kind in Ayorweden kannte die
Geschichte dieser Familie. Sie hatte sie als kleines Mädchen von
ihrem Großvater erzählt bekommen. Diese Familie wirklich
zu sehen, war unglaublich. Jeder Magier dieser Welt würde dafür
sterben. Es konnte nicht sein, dass dies tatsächlich Minoushs
Familie gewesen war.
»Das
Ereignis, das
du eben gesehen hast, ist bereits vor vierhundertsechsundsiebzig
Jahren geschehen. In einer Zeit, in der unseresgleichen verfolgt,
versklavt und ermordet wurde.«
»Aber
wie kann ich dort gewesen sein?«
»Du
siehst es in den Erinnerungen, die ich aus den heiligen Schriften
gelesen habe.« Er nickte zu den schwach leuchtenden
schwungvollen Linien.
Ein
weiteres Mal staunte Sofie mit offenem Mund über die
schimmernden Linien und Formen.
»Aber
ich habe sie gehört, das kalte Klima gespürt und den
morschen Boden gerochen.«
»Die
Wedier beschreiben die Geschichte unserer Erlöserin äußerst
genau. Zumindest einzelne Lebensabschnitte.«
»Lebens … abschnitte?«
»Du
möchtest noch mehr sehen? Das freut mich, so war es auch
geplant.« Der alte Mann schmunzelte.
»Aber
vorerst möchte ich wissen, ob dir bekannt ist, was nach dieser
Szene passiert war?« Er
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