Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
Frau.«
»Das war ich. Jetzt nicht mehr. Du hast jetzt eine andere Frau. Ihre Brüste sind die Berge, und ihr Samen wartet darauf, sich dort draußen über die Welt zu ergießen. Was bist du für ein Held, großer Khan! Dein Freund wartet auf dich. In der Blindheit seiner Treue erwartet er, dich an der Spitze deiner Nadir auf einem weißen Pferd heranreiten zu sehen. Dann wird das Böse fallen, und die Drenai werden frei sein. Stell dir sein Erstaunen vor, wenn du stattdessen sein Volk überfällst.«
»Es reicht jetzt, Renya. Ich werde Ananais nicht verraten. Ich werde nicht in Drenai einmarschieren.«
»Jetzt vielleicht nicht. Aber eines Tages wird dir keine Wahl bleiben. Es wird nichts anderes übrigbleiben.«
»Ich bin noch nicht der Khan.«
»Glaubst du an Gebete, Tenaka?« fragte sie plötzlich, mit Tränen in den Augen.
»Manchmal.«
»Dann denke daran: Ich bete darum, daß du heute Abend verlierst, selbst wenn es deinen Tod bedeutet.«
»Wenn ich verliere, wird es meinen Tod bedeuten«, sagte Tenaka Khan.
Doch sie war schon fort.
Der alte Schamane hockte sich in den Staub und blickte angespannt in ein Kohlebecken auf einem eisernen Ständer. Um ihn herum saßen die Hauptleute der Nadir, die Kriegsherrn, die Herrscher der Horden.
Abseits der Menge, in einem Kreis aus Steinen, saßen die drei Verwandten: Tsuboy Sattelschädel, Shirrat Sprechendes Messer und Tenaka Khan.
Die Kriegsherren beobachteten einander voller Neugier und Interesse. Sattelschädel war eine kantige, kräftige Gestalt. Er trug das Haar in Flechten und einen gegabelten Bart. Sein Oberkörper war nackt und glänzte vor Öl.
Sprechendes Messer war schlank, sein langes Haar silbern durchwirkt. Er hatte es im Nacken zusammengebunden. Sein Gesicht war lang und traurig, was durch den herabhängenden Schnurrbart noch betont wurde. Seine Augen jedoch waren scharf und lebhaft.
Tenaka Khan saß ruhig bei ihnen und betrachtete das Grab, das im Mondschein silbrig schimmerte. Sattelschädel knackte laut mit den Knöcheln und spannte die Rückenmuskeln. Er war nervös. Seit Jahren plante er, die Führung der Wolfsschädel zu übernehmen. Und jetzt, wo seine Armee stärker war als die seines Bruders, mußte er mit einem einzigen Wurf um seine Zukunft spielen. So groß war die Macht der Schamanen. Er hatte versucht, Asta Khan zu ignorieren, doch selbst seine eigenen Kriegsherrn – geachtete Krieger wie Ingis – hatten ihn bedrängt, sich Rat bei ihrer Weisheit zu holen. Niemand wollte mit ansehen müssen, wie ein Wolf über den anderen herfiel. Sattelschädel fluchte innerlich.
Asta Khan richtete sich auf. Der Schamane war alt, älter als irgendein anderer Stammesangehöriger, und seine Weisheit war Legende. Er ging langsam auf die drei zu. Er kannte sie gut – wie er auch ihre Väter und Großväter gekannt hatte – und er sah die Ähnlichkeit zwischen ihnen.
Er hob den rechten Arm. »Nadir sind wir!« rief er, und seine Stimme strafte sein Alter Lügen, denn sie war voll und kräftig und klang über die versammelten Menschenmassen hinweg, die den Ruf feierlich erwiderten.
»Von dieser Queste gibt es kein Zurück!« sagte der Schamane zu dem Trio. »Ihr seid miteinander verwandt! Jeder von euch beruft sich darauf, vom großen Khan abzustammen. Könnt ihr euch nicht untereinander einigen, wer der Führer sein soll?«
Er wartete einige Sekunden, doch die drei schwiegen.
»Dann lauscht der Weisheit Asta Khans. Ihr glaubt, daß ihr gegeneinander kämpfen müßt – ich sehe, daß eure Körper bereit und eure Waffen scharf sind. Aber es wird keinen blutigen Kampf geben. Stattdessen schicke ich euch an einen Ort, der nicht von dieser Welt ist. Derjenige, der zurückkehrt, wird Khan sein, denn er wird Ulrics Helm finden. Der Tod wird euch näher sein, denn ihr werdet durch sein Reich wandern. Ihr werdet furchtbare Dinge sehen, die Schreie der Verdammten hören. Wollt ihr noch immer diese Queste?«
»Laß uns anfangen!« knurrte Sattelschädel. »Mach dich bereit zu sterben, Wechselbalg!« flüsterte er Tenaka zu.
Der Schamane trat vor und legte eine Hand auf Sattelschädels Kopf. Die Augen des Kriegsherrn fielen zu; sein Kopf sank auf die Brust. Sprechendes Messer folgte … dann Tenaka.
Asta Khan kauerte sich vor das schlafende Trio; dann schloß er die Augen. »Steht auf!« befahl er.
Die drei Männer öffneten die Augen und blinzelten überrascht. Sie befanden sich noch immer an Ulrics Grab, aber sie waren allein. Verschwunden
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