Die Drenai-Saga 2 - Der Schattenprinz
sein Zelt bewacht. Unter diesen Männern gab es viele, die seinen Tod wünschten.
Und zwar schnell!
Es war einfach, Khan zu werden. Die wahre Kunst bestand darin, anschließend am Leben zu bleiben.
Eine Bewegung in den Reihen erregte Tenakas Aufmerksamkeit. Ingis erhob sich und ging auf ihn zu. Er zog sein Schwert aus der Scheide und reichte es mit dem Griff voran Tenaka.
»Ich werde dein Mann«, sagte Ingis und kniete nieder.
»Willkommen, Krieger. Wie viele Brüder bringst du mit?«
»Zwanzigtausend.«
»Das ist gut«, sagte der Khan.
Einer nach dem anderen marschierten die Generäle nach vorn. Der Morgen dämmerte bereits, als der letzte sich zurückzog und Ingis noch einmal zu Tenaka kam.
»Die Familien von Sattelschädel und Sprechendes Messer wurden gefangen genommen. Sie werden in der Nähe deines Lagerplatzes festgehalten.«
Tenaka stand auf und reckte sich. Ihm war kalt, und er war sehr müde. Mit Ingis an seiner Seite entfernte er sich von dem Grabmal.
Eine große Menschenmenge hatte sich versammelt, um den Tod der Gefangenen mitzuerleben. Tenaka betrachtete die Gefangenen, die schweigend in Reihen knieten, die Arme auf dem Rücken zusammengebunden. Es waren zweiundzwanzig Frauen, sechs Männer und ein Dutzend Knaben.
Subodai trat vor. »Willst du sie selbst töten?«
»Nein.«
»Dann werden Gitasi und ich es tun«, sagte er vergnügt.
»Nein.« Tenaka ging weiter und ließ den verblüfften Subodai stehen.
Der neue Khan blieb vor den Frauen stehen, den Gemahlinnen der toten Kriegsherren.
»Ich habe eure Gatten nicht getötet«, sagte er. »Es gibt also keine Blutfehde zwischen uns. Doch ich habe ihr Eigentum geerbt. So sei es! Ihr wart Teil dieses Eigentums, und so erkläre ich euch zu Gemahlinnen von Tenaka Khan. Bindet sie los!« befahl er.
Leise vor sich hinmurmelnd ging Subodai an der Reihe entlang. Eine junge Frau rannte los, als sie frei war, und warf sich Tenaka zu Füßen.
»Wenn ich wahrlich deine Frau bin, was ist dann mit meinem Sohn?«
»Laßt auch die Kinder frei«, befahl Tenaka.
Nur die sechs Männer blieben jetzt übrig, enge Verwandte der toten Kriegsherren.
»Dies ist ein neuer Tag«, sagte Tenaka zu ihnen. »Ich lasse euch die Wahl. Versprecht mir zu dienen, und ihr bleibt am Leben. Weigert euch, und ihr werdet sterben.«
»Ich spucke auf dich, Halbblut!« rief ein Mann. Tenaka trat vor und streckte die Hand nach Subodais Schwert aus. Dann köpfte er den Mann mit einem einzigen Hieb.
Nicht einer der fünf Gefangenen sprach, und Tenaka ging die Reihe entlang und tötete sie alle. Dann rief er Ingis zu sich, und die beiden Männer setzten sich leise in den Schatten des Zeltes.
Dort blieben sie drei Stunden, in denen der Khan seine Pläne erläuterte. Anschließend schlief Tenaka.
Und während er schlief, umringten zwanzig Männer mit gezogenen Schwertern sein Zelt.
20
Parsal kroch weiter, schob sich durch das hohe Gras. Der Schmerz in seinem verstümmelten Bein war von der sengenden Qual des vorherigen Nachmittags zu einem pochenden Schmerz verebbt, der gelegentlich aufflammte, so daß er das Bewußtsein verlor. Er wußte nicht mehr, wohin er kroch, nur daß er eine so große Entfernung wie möglich zwischen sich und das Grauen bringen mußte.
Er kroch über ein Feld voller Kieselsteine, und ein scharfer Stein stach ihm ins Bein. Stöhnend rollte er sich auf die Seite.
Ananais hatte ihm befohlen, so lange auszuharren, wie sie nur konnten, und sich dann nach Magadon zurückzuziehen. Dann war er mit Galand in ein anderes Tal geritten. Die Ereignisse des Nachmittags überschwemmten immer wieder Parsals Gedanken, und er konnte sie nicht verdrängten … Mit vierhundert Mann hatten sie an einem engen Paß gewartet. Die Reiter waren zuerst gekommen, waren mit gesenkten Lanzen die Hänge hinauf galoppiert. Parsals Bogenschützen hatten sie in Stücke gerissen. Die Fußsoldaten waren nicht so leicht zurückzuschlagen, da sie gut gerüstet und durch ihre Bronzeschilde geschützt waren. Parsal war mit dem Schwert nie so geschickt gewesen wie sein Bruder, aber er hatte sich gut geschlagen, bei den Göttern!
Die Männer von Skoda hatten gekämpft wie die Tiger, und Ceskas Infanterie wurde zurückgedrängt. An diesem Punkt hätte er den Befehl zum Rückzug geben sollen.
Dummkopf!
Aber er war in einer solchen Hochstimmung gewesen. So stolz! Noch nie im Leben hatte er eine Kampftruppe angeführt. Beim Drachen hatten sie ihn abgewiesen, während sie seinen Bruder
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