Die Drenai-Saga 3 - Waylander
landete eine Faust in seinem Magen, und er zuckte zusammen und biß sich so heftig auf die geschwollene Lippe, daß sie blutete.
»Wir haben noch schöne Sachen mit dir vor, du rundäugiger Sohn einer Schlampe«, sagte eine Stimme. Waylander drehte den Kopf und sah einen jungen Mann mittlerer Größe vor sich stehen. Das fettige schwarze Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, die Gesichtszüge waren unter der Asche der Trauer verborgen.
Waylander sah weg, und wieder schlug ihn der Mann.
»Laß ihn in Ruhe!« befahl Kesa Khan.
»Er gehört mir.«
»Gehorche mir, Gorkai«, befahl der alte Mann.
»Er muß einen schweren Tod haben und dann meinem Vater in der Leere dienen.«
Der junge Mann ging davon, und Waylander sah den alten Mann an.
»Du hast deine Sache gut gemacht, Seelenräuber, du hast das Leben eines Narren genommen, der uns in den Ruin geführt hätte.«
Waylander sagte nichts. Sein Mund war voller Blut, das seine trockene Zunge anfeuchtete und das Brennen in seiner Kehle linderte.
Kesa Khan lächelte.
»Blut wird dir nicht helfen. Heute bringen wir dich in die Wüste, wo wir zusehen werden, wie der Sand dir die Seele verbrennt.«
Der lange Tag zog sich dahin, und die Schmerzen wurden stärker. Waylander verschloß sich vor dem Brennen seines Fleisches und kämpfte darum, gelassen zu bleiben, indem er langsam und tief atmete und soviel Energie wie möglich für den Moment aufsparte, in dem die Nadir ihn losbinden würden. Wenn sie ihn in die Wüste bringen wollten, mußten sie ihn zuerst von dem Pfahl losmachen – und in dem Moment würde er angreifen und sie zwingen, ihn zu töten.
Seine Gedanken trieben dahin, glitten durch die Jahre zurück. Er sah wieder den jungen, idealistischen Dakeyras: das Kind, das unbedingt Soldat werden wollte, um in der Armee von Orien, dem Kriegerkönig aus Bronze, zu dienen. Er erinnerte sich an den Tag, als Orien seine siegreiche Armee durch die Straßen von Drenan geführt hatte, wie die Menge gejubelt und Blumen geworfen hatte. Der König in seiner Rüstung, die in der Mittagssonne glitzerte, war dem zehnjährigen Dakeyras wie ein Riese erschienen. Orien hatte seinen dreijährigen Sohn vor sich im Sattel gehalten, und das Kind, durch den Lärm der Menge verschreckt, war in Tränen ausgebrochen. Daraufhin hatte der König ihn hochgehoben und zärtlich geküßt. Dakeyras freute sich an diesem Augenblick der Wärme.
Er riß sich von den Erinnerungen an diese Szene los und sah noch einmal den Moment, als König Niallad fiel, in seinem Rücken ein Bolzen Waylanders. Der Anblick zerrte ihn zurück in die Gegenwart, und die Schmerzen kehrten wieder. Wie war aus dem edlen jungen Kind der seelenlose Schlächter geworden? Seine Handgelenke schmerzten, und er merkte, daß seine Beine wieder unter ihm nachgegeben hatten. Er zwang sich, sich aufzurichten, und öffnete das eine Auge. Eine Gruppe von Nadirkindern hockte vor ihm, und eins von ihnen schlug mit einem Stock nach seinem Bein.
Ein Nadirkrieger trat vor und schickte den Jungen mit einem gut gezielten Tritt zu Boden.
Waylander trieb mit geschlossenen Augen wieder dahin. Sein Herz sank, als sich die Bilder von dem Kind wiederholten, das von seinem liebenden Vater hochgehalten wurde. Mit dem Kuß war der Junge getröstet gewesen und hatte angefangen zu lachen und den König nachzuahmen, der der Menge zuwinkte. Der kleine Niallad, die Hoffnung für das Morgen. Eines Tages, dachte Dakeyras damals, werde ich ihm dienen wie mein Vater Orien dient.
»Waylander«, rief eine Stimme, und er öffnete das Auge. Niemand war in der Nähe, aber die Stimme ertönte wieder, tief in seinem Geist. »Schließ die Augen und entspanne dich.« Waylander gehorchte, und seine Schmerzen verschwanden, als er in einen tiefen Schlaf fiel. Er fand sich auf einem trostlosen Hügel unter fremden Sternen wieder, die hell und vollkommen rund strahlten. Zwei Monde hingen am Himmel, ein silberner, einer blau und grün durchzogen wie Marmor. Auf dem Hang saß Orien. Er wirkte jünger und dem König aus Waylanders Erinnerungen ähnlicher.
»Komm, setz dich zu mir.«
»Bin ich gestorben?«
»Noch nicht, aber es dauert nicht mehr lange.«
»Ich habe dich enttäuscht.«
»Du hast es versucht, mehr kann kein Mensch verlangen.«
»Sie haben die Frau umgebracht, die ich liebe.«
»Und du hast Rache geübt. War sie süß?«
»Nein, ich habe nichts gefühlt.«
»Das ist eine Wahrheit, die du schon vor vielen Jahren hättest
Weitere Kostenlose Bücher