Die Drenai-Saga 3 - Waylander
Natürlich kümmert es mich«, donnerte Karnak. »Du unverschämter Kerl! Die Audienz ist beendet. Raus!«
»Audienz, General? Ich dachte, das gäbe es nur bei Königen. Nicht bei Schlächtern!« Mit zwei langen Schritten umrundete Karnak den Tisch und packte den zierlichen Arzt an seiner blutbefleckten Schürze. Evris wurde von den Füßen gehoben und baumelte vor dem aufgebrachten Krieger.
Karnak hielt ihn für einige Sekunden so und schleuderte ihn dann gegen die Tür. Evris prallte hart dagegen und sank dann zu Boden.
»Raus, bevor ich dich umbringe«, zischte Karnak. Dundas, der die Szene schweigend beobachtet hatte, erhob sich und half dem Arzt in den Gang hinaus.
»Du bist zu weit gegangen, Arzt«, sagte Dundas leise. »Bist du verletzt?«
Evris wand sich aus Dundas’ stützenden Armen. »Nein, ich bin nicht verletzt, Dundas. Ich habe keinen Wundbrand, der sich in meinen Gliedern ausbreitet. Ich habe keine Wunden, in denen Maden nisten.«
»Versuch doch, das Ganze aus einem anderen Blickwinkel zu sehen«, drängte Dundas. »Wir sehen uns vielen Feinden gegenüber, und nicht der geringste davon sind drohende Seuchen. Wir können die Verwundeten nicht in die Festung bringen.«
»Glaubst du, ich verstehe so wenig von Strategie, daß du mir dieselben einfachen Dinge erzählen mußt wie dein Anführer? Ich weiß, was er denkt, und ich hätte ihn weit mehr respektiert, hätte er es zugegeben. Wir können die Mauern nicht mehr viel länger halten. Dann werden sich die Soldaten in die Festung zurückziehen. Karnak will dort nur kampffähige Männer – er braucht nicht tausend oder noch mehr Verwundete, die den Platz wegnehmen, ernährt und getränkt werden müssen, gewaschen und geheilt.«
Dundas sagte nichts, und Evris lächelte. »Danke, daß du nicht widersprichst. Wenn wir uns zurückziehen, werden die Vagrier jeden Verwundeten töten – sie in ihren Betten abschlachten.«
»Karnak hat keine Wahl.«
»Das weiß ich, verdammt noch mal.«
»Warum hast du ihn dann so beschimpft?«
»Weil er da ist! Es ist seine Verantwortlichkeit, sie kommt mit der Macht. Und weil ich ihn verabscheue.«
»Wie kannst du das sagen, wo er doch kämpft, um alles zu verteidigen, wofür du lebst?«
»Verteidigen? Wofür ich lebe, kann man nicht mit einem Schwert verteidigen. Du kannst das nicht verstehen, oder, Dundas? Es gibt keinen wirklichen Unterschied zwischen Karnak und Kaem. Sie sind Brüder im Geiste. Aber ich kann hier nicht stehen und mit dir reden, wenn Menschen sterben.« Er humpelte davon, drehte sich aber an der Treppe noch einmal um.
»Heute morgen fand ich drei Männer tot im Keller unter den Ställen, wo man mich gezwungen hatte, sie unterzubringen. Ratten hatten sie bei lebendigem Leibe aufgefressen.«
Damit ging er. Dundas seufzte und kehrte in die Räume des Generals zurück. Er holte tief Luft, ehe er die Tür öffnete. Karnak saß noch immer am Tisch, sein Zorn war noch nicht verraucht.
»Elender Wurm!« erklärte er, als Dundas eintrat. »Wie kann er es wagen, so etwas zu mir zu sagen? Wenn das hier vorbei ist, werde ich mit ihm abrechnen.«
»Nein, wirst du nicht, General«, widersprach Dundas. »Du wirst ihn mit Medaillen ehren und dich bei ihm entschuldigen.«
»Niemals! Er hat mich beschuldigt, Degas in den Selbstmord getrieben zu haben, hat mir vorgeworfen, daß mir meine Männer gleichgültig wären.«
»Er ist ein guter Arzt und ein mitfühlender Mann. Und er weiß, warum du nicht zulassen wirst, daß die Verwundeten in die Festung gebracht werden.«
»Woher? Woher weiß er das?«
»Weil er auch Soldat ist.«
»Wenn er es weiß, warum zum Teufel hat er mich dann so angegriffen?«
»Ich weiß es nicht, General.«
Karnak grinste, und sein Zorn verflog. »Für einen kleinen Mann hat er es ganz schön mit mir aufgenommen.«
»Er hat sich gut gehalten.«
»Ich werde ihm nur eine
kleine
Medaille geben – und keine Entschuldigung«, sagte Karnak. »Sag mir, wie sehen unsere Wasservorräte aus?«
»Wir haben sechshundert Fässer in die Festung geschafft. Das ist die Grenze.«
»Wie lange werden wir damit auskommen?«
»Das hängt davon ab, wie viele Männer wir noch haben.«
»Sagen wir zweitausend, wenn der Rückzug eingeleitet wird?«
»Dann etwa sechs Wochen.«
»Das ist nicht genug, bei weitem nicht genug. Warum zum Kuckuck bricht Egel nicht aus?«
»Es ist noch nicht Zeit, er ist noch nicht soweit.«
»Er ist übervorsichtig.«
»Er weiß, was er tut, General. Er ist ein
Weitere Kostenlose Bücher