Die Drenai-Saga 3 - Waylander
stöhnte auf, als die Wolle sich von den Blasen auf seinen Schultern löste. Dann öffnete er einen Lederbeutel an seinem Gürtel und zog die länglichen, grünen Blätter heraus, die er vor Einbruch der Dunkelheit gepflückt hatte. Es war nicht ungefährlich, Lorassium zu nehmen. In kleinen Mengen linderte es Schmerzen und brachte lebhafte Träume; in großen Mengen tötete es. Und Waylander hatte keine Ahnung, wieviel oder wie wenig er nehmen sollte – oder wie er sie zubereiten mußte. Er zerdrückte ein Blatt in der Hand und roch daran, dann steckte er es in den Mund und kaute langsam. Es war bitter, und er würgte. Wut stieg in ihm auf und ließ seinen Kopf dröhnen. Er kaute schneller. Als er nach zehn Minuten keine Erleichterung spürte, aß er noch ein Blatt.
Jetzt sprangen Flammentänzer über sein kleines Feuer, drehten Pirouetten, warfen die Arme hoch, so daß Funken aus ihren winzigen Fingern stoben. Die Wände der Höhle knirschten und schwollen an, und Waylander kicherte, als seinem Pferd Flügel und Hörner wuchsen. Sein Lachen erstarb, als er sah, daß seine eigenen Hände zu schuppigen Klauen geworden waren. Nun verwandelte sich das Feuer in ein Gesicht, breit und gutaussehend, mit flammendem Haar.
»Warum versuchst du, meine Pläne zu durchkreuzen, Mann?« fragte das Feuer.
»Wer bist du?«
»Ich bin der Morgenstern, der Herr des Dunklen Lichtes.«
Waylander lehnte sich zurück und warf ein Stück Holz in das Gesicht. Feuer sprang aus seinem Mund und verschlang den Ast. Waylander sah, daß die Flammenzunge gegabelt war.
»Ich kenne dich«, sagte der Meuchelmörder.
»Das solltest du auch, Kind, du hast mir viele Jahre gedient. Es erfüllt mich mit Traurigkeit, daß du mich jetzt verrätst.«
»Ich habe dir nie gedient. Ich war immer mein eigener Herr.«
»Glaubst du? Dann belassen wir es dabei.«
»Nein – erzähl mir.«
»Was gibt es da zu erzählen, Waylander? Du hast viele Jahre lang gejagt und getötet. Glaubst du, deine Taten dienten der QUELLE? Sie dienten der Sache des Chaos.
Meiner
Sache! Du gehörst mir, Waylander – du hast immer mir gehört. Und auf meine Art habe ich dich vor Schaden bewahrt, habe Dolche in der Nacht abgewehrt. Selbst jetzt schütze ich dich vor den Nadirjägern, die geschworen haben, dein Herz zu essen.«
»Warum tust du das für mich?«
»Denen, die mir dienen, bin ich ein guter Freund. Habe ich dir nicht Cadoras in deiner Not geschickt?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, daß du der Fürst der Betrüger bist, also bezweifle ich es.«
»Harte Worte, Sterblicher. Worte des Todes, wenn ich es will.«
»Was willst du von mir?«
»Ich möchte dich von deinem Makel befreien. Du bist kein richtiger Mann mehr, seit Dardalion dich mit seiner Schwäche berührt hat. Ich kann es dir nehmen – ich tat es beinahe, als du dich auf die Jagd nach Butaso machtest –, aber jetzt sehe ich, daß es sich wie eine Krebsgeschwulst in deinem Herzen ausbreitet.«
»Wie willst du mich von diesem Makel befreien?«
»Du brauchst bloß zu sagen, daß du es wünscht, und er wird verschwunden sein.«
»Ich wünsche es nicht.«
»Glaubst du, die QUELLE wird dich annehmen? Du bist besudelt vom Blut der Unschuldigen, die du erschlagen hast. Warum den Tod für einen Gott riskieren, der dich verabscheut?«
»Es ist nicht für irgendeinen Gott, sondern für mich selbst.«
»Der Tod ist nicht das Ende, Waylander – nicht für solche wie dich. Deine Seele wird in die Leere eingehen, sich in der Dunkelheit verlieren, aber ich werde sie finden und in alle Ewigkeit mit Flammenzungen quälen. Begreifst du, was für ein Risiko du eingehst?«
»Deine Drohungen sind eher zu akzeptieren als deine Versprechungen. Sie entsprechen deinem Ruf. Und jetzt laß mich in Ruhe.«
»Sehr schön, aber wisse: Ich bin nicht der Feind, den du dir wünschen solltest, Mörder. Mein Arm ist lang, und meine Klauen tödlich. Dein Tod ist bereits festgelegt, das Szenario ist im Buch der Seelen niedergeschrieben, und ich habe es mit Freuden gelesen. Aber es gibt jemanden, an den du denken solltest – Danyal. Sie reist mit einem anderen, dessen Seele mein ist.«
»Durmast wird ihr nichts antun«, sagte Waylander, doch seine Worte waren leer und mehr von Hoffnung als von Überzeugung geprägt.
»Wir werden sehen.«
»Laß mich allein, Dämon!«
»Eine letzte Gabe, ehe ich gehe. Sieh zu und lerne!« Das Gesicht schimmerte und schrumpfte, die Flammen loderten erneut auf, und darin sah Waylander, wie
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