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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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heruntergelassener Scheiben heiß und stickig. Zehn Minuten später bemerkte Brian das Glitzern, das durch das lichte Blätterwerk der Bäume drang. Ein Seitenarm des Orinoco tauchte vor ihnen auf. Der Fluss war gewaltig, Brian schätzte die Breite auf beinahe einen halben Kilometer. Zwei Hütten standen am Ufer. Einfache Pfahlhütten, mit Außenwänden aus verschnürten Palmwedeln. Juan brachte den Landrover zum Stehen. Ein Eingeborener mit nacktem Oberkörper kam aus einer der Hütten. Er begrüßte Juan freundlich. Brian stieg aus. Das Geschrei von Brüllaffen hallte durch den dichten Wald.
    Während sich Juan mit dem Indio in einer gutturalen Sprache unterhielt, ging Brian hinunter ans Ufer des Flusses. Zwei Langboote mit Außenbordmotoren lagen an einem hölzernen Landesteg vertäut. Erneut klatschte er mit der flachen Hand gegen seinen Arm. Ein weiterer Mückenstich.
    »Dabei schlafen die meisten Viecher noch«, erklang Juans Stimme in seinem Rücken. Brian drehte sich herum. Juan ging zum Wagen und kehrte mit einer silbernen Dose zurück.
    »Wenn Sie bis zum Abend nicht aufgefressen werden wollen, dann schmieren Sie sich das auf die Haut.«
    Skeptisch öffnete Brian die Dose, die Juan ihm gegeben hatte, und roch daran. Er zuckte zurück und verzog das Gesicht.
    »Was ist das?«
    »Kerosin, Limone und Babyöl«, erwiderte Juan. »Das Einzige, was gegen diese verfluchten Plagegeister hilft.«
    Widerwillig tauchte Brian den Zeigefinger in die stinkende Melange.
    »Zweihundert Stiche am Tag sind keine Seltenheit«, erklärte Juan. »Vor allem hier am Fluss.«
    »Und wie geht es weiter?« Brian strich sich die widerliche Emulsion auf die Arme.
    »Yakuna bringt uns mit dem Boot nach Caraguela«, sagte Juan. »Es liegt etwa zwei Stunden nördlich von hier. Wir essen etwas und brechen in zwanzig Minuten auf. Und nicht vergessen, es hilft nur, wenn man alle Körperteile damit bestreicht. Aber das ist Ihre Sache, Doktor.«
    »Na ja, vielleicht hält es wenigstens die Piranhas ab«, seufzte Brian.
    Sie brachen planmäßig auf. Der Fluss war ruhig und die Strömung mäßig. Der Fahrtwind kühlte ihre erhitzten Körper und machte den Tag ein wenig erträglicher. Brian reckte die Arme in die Höhe und genoss die Abkühlung. Hin und wieder trieben Äste und Holzstämme am Boot vorbei.
    »Der Sturm von gestern hat einige Bäume entwurzelt«, erklärte Juan. »Es gab ein kräftiges Gewitter.«
    Sie bogen in einen Seitenarm ab, der nach Osten führte. Ein paar Orinoco-Delfine begleiteten das Boot ein Weilchen. Brian holte seine Kamera aus dem Rucksack und schoss ein paar Fotos von den grauen Gefährten. Nach einer weiteren Biegung tauchten Hütten am Ufer auf. Vor ihnen lag Caraguela.
     

3
Interstate 25, San Antonio, New Mexico
    Ein kühler Morgen zog über White Sands herauf, und über den Wäldern des Cibola National Forest trieben Nebelschwaden in der Morgendämmerung. Sheriff Dwain Hamilton schlug den Pelzkragen seiner Jacke hoch und schaute hinüber auf die Interstate 25. Auf der Straße herrschte noch Ruhe, doch bald schon würden sich Tausende von Pendlern auf den Weg hinauf nach Albuquerque machen. Die Raststätte an der Interstate 25 lag von Bäumen umsäumt an einem kleinen Bachlauf, der sich ein paar Kilometer östlich in den Rio Grande ergoss. Die roten Lichter des Polizeiwagens rotierten hektisch, und das gelbe Absperrband jenseits der Müllcontainer flatterte im aufkommenden Wind.
    Vor knapp einer Stunde hatte Deputy Lazard, Hamiltons Neffe, angerufen und ihn aus einem unruhigen Schlaf gerissen. Seit Margo an Weihnachten mit den Kindern das Haus verlassen hatte, brauchte er nachts ein paar Drinks, um einschlafen zu können. In Hamiltons Kopf hämmerte eine ganze Schar Gleisarbeiter, trotzdem war er sofort hellwach, nachdem Lazard ihm vom Fund einer Leiche auf dem Parkplatz bei San Antonio berichtet hatte. In den letzten drei Jahren, seit er Sheriff geworden war, hatte es nur einen Mord gegeben. Hamilton war stolz darauf, dass er die 9000-Seelen-Gemeinde und das umliegende County fest im Griff hatte. Ein paar Diebstähle, Scherereien mit Trunkenbolden und hier und da eine Schlägerei – doch jetzt lag eine Leiche am Coward Creek zwischen zwei großen Müllcontainern. Ein junger Mann, etwa dreißig, auffallend blass, rothaarig und nur mit einer Schlafanzughose und einem gelben Sweatshirt bekleidet, das die Aufschrift POW trug. Keine Schuhe, keine Jacke, keinen Rucksack, nichts, das auf seine Identität oder seine

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