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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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trockenen April erlebt, und der Mai war um 17 Prozent zu warm.«
    »Ich kenne die Statistik«, sagte Sebastian. »Wir sind zum selben Ergebnis gekommen. Aber wir haben die Aufzeichnungen der letzten hundert Jahre herangezogen und festgestellt, dass es solche Jahre bereits gab, in denen derartige Ausreißer registriert wurden. 1904, 1934 und 1946 wurden ähnliche Werte aufgezeichnet. Übrigens, wenn wir unseren Archiven trauen dürfen, wurde im Jahr 1722 schon einmal von einem Hurrikan Anfang Mai berichtet.«
    »Glaube mir, das beruhigt mich nicht im Geringsten«, entgegnete Wayne.
    »Mich ehrlich gesagt auch nicht. Es tut mir leid, ich muss jetzt Schluss machen. Es gibt noch ein weiteres Problem, um das wir uns kümmern müssen.«
    »Ein Problem?«
    Sebastian zögerte.
    »Was ist es?«
    »Bitte behalte es für dich, es ist noch nichts Offizielles.«
    »Du weißt, dass du dich auf mich verlassen kannst.«
    »Vor zweieinhalb Stunden haben wir einen Notruf von der Portland erhalten. Sie kreuzt vor der mexikanischen Küste. Offenbar ist ein Feuer an Bord ausgebrochen, der Notruf brach ab. Seither ist Funkstille.«
    »Vor der mexikanischen Küste?«, fragte Wayne. »Dort wütet doch der zweite Zyklon.«
    »Das ist ja das Problem«, gestand Sebastian zögerlich. »Nach letzter Positionsmeldung der Portland hat der Sturm in weniger als einer Stunde ihren Standort erreicht.«
    »O Gott, was habt ihr unternommen?«
    »Was sollen wir unternehmen?«, entgegnete Sebastian. »Wir sitzen hier und beten für sie. Kein Schlepper der Welt kann sie noch vor Eintreffen der Sturmfront erreichen.«
    »Und Flugzeuge?«
    »Es gibt nur eine Möglichkeit. Wir sind alles durchgegangen und haben uns die Köpfe heißgeredet, oder warum glaubst du, bin ich noch hier? Ein U-Boot der Marine ist auf dem Weg, um die Besatzung zu evakuieren. Ich hoffe nur, dass es die Portland noch rechtzeitig erreicht.«
    »Wie viele sind an Bord?«
    »Beinahe einhundert Leute.«
Hotel Orion, Venedig
    Brian Saint-Claire saß gegenüber dem Hotel in der Edy-Bar und schlürfte einen Martini. Gina hatte neben ihm Platz genommen und einen Espresso bestellt. Sie trug ein rotes Top und darüber eine schlichte weiße Bluse. Ihr pechschwarzes Haar hatte sie streng nach hinten gekämmt und zu einem Zopf gebunden. Mit der silbernen Brille auf der Nase wirkte sie wie Miss Moneypenny aus den älteren James-Bond-Filmen. Neben Englisch beherrschte sie fließend Deutsch, Französisch und Italienisch. Außerdem wusste sie mit ihren gut vierzig Jahren, wie man mit Menschen umging, welchen Ton man anschlagen musste, um etwas in Erfahrung zu bringen. Und sie hatte eine weitere Gabe: Dinge zu erkennen, die normalen Menschen verborgen blieben. Dinge, die für die Schulwissenschaften nicht existent waren, weil sie nicht objektiv belegbar waren. Kurz und gut, Gina war ein Medium; sie hatte ein Gespür für die Präsenz psychokinetischer Energiefelder und die beinahe übersinnliche Fähigkeit, Lüge und Wahrheit mit der Präzision eines wissenschaftlichen Messgerätes zu unterscheiden. Ihre Trefferquote war kaum zu überbieten. Brian war sehr froh darüber, dass sie mit nach Europa gereist war. Mit Leon verhielt es sich anders. Leon war ein Freak, ein Kerl, der oft über das Ziel hinausschoss und Schwierigkeiten magisch anzog. Brian hatte sich vorgenommen, ihn an der kurzen Leine zu halten. Schließlich war dieser Auftrag höchst sensibel und bedurfte einer gehörigen Portion Einfühlungsvermögens.
    »Le lacrime della madre di Gesù«, zitierte Gina die Überschrift des Zeitungsartikels. Zwei Kinder hatten in der gerade mal dreißig Schritte entfernten Chiesa di San Zulian eine Marienerscheinung. Es handelte sich hierbei um einen zwölfjährigen Jungen und seine zehnjährige Schwester, denen in den Abendstunden die Mutter Maria vor dem Hauptaltar erschienen war. Sie prophezeite den Geschwistern, dass sich die Winde erheben und die Stürme über die Lande herfallen würden und eine neuerliche Sintflut die Sünde von der Welt waschen würde. Die Erscheinung habe knapp eine Minute angedauert, dann habe sich die Muttergottes wieder entmaterialisiert. Als Zeichen der Wahrhaftigkeit ihrer Worte seien Tränen aus den Augen des Marienbildnisses über dem Altar geflossen. Und die Tränen seien rot wie Blut gewesen.
    Brian hatte den Artikel und den Bericht der Redaktion mittlerweile mehrfach gelesen. Den Recherchen zufolge lebten sowohl die Kinder als auch der Priester der Gemeinde, Padre

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