Die Drohung
Behörde. Was der CIA so alles anstellt, weiß man ja. Was habe ich, ein ehrlicher Zivilbürger, mit dem Militär zu tun? Ich bin nicht mehr wehrpflichtig, ich war nie Soldat, wegen meiner Senkfüße, ich habe einen latenten Herzfehler und zu hohen Blutdruck. Das Militär und damit der CIA geht mich also einen feuchten Dreck an. Und genau so sollte es der CIA mit mir halten. Und nun sitzen Sie hier, haben sich ausgewiesen als großes Tier aus Washington und verlangen, daß ich einen Eingriff in meine Freiheiten dulde. Das ist doch enorm, was?«
»Sind Sie US-Bürger, Cortone?«
»Seit 20 Jahren. Jawohl.«
»Nachweis?«
Cortone lachte fett. Mit dem Daumen zeigte er zur Seite. »Hängt an der Wand. Solche Dokumente rahme ich ein. Sie sind saurer zu bekommen als eine Million. Wenn Sie glauben, es sei eine Fälschung, kontrollieren Sie die Einbürgerungsnummer.«
Berringer verzichtete darauf, das eingerahmte Dokument zu lesen. Er glaubte Cortone in dieser Beziehung. Aber er schoß den nächsten Pfeil ab, und der traf ins Schwarze.
»Als guter Bürger haben Sie sich verpflichtet, Ihrem Vaterland immer und überall zu nützen. Eigentlich sollte jeder Bürger seinem Vaterland gegenüber ein Schuldgefühl mit sich herumtragen, denn was dieses Vaterland alles für ihn tut …«
»Ich weiß, ich weiß. Erster Weltkrieg, Schwarzer Freitag, Zweiter Weltkrieg, Kubakrise, Vietnam, Wirtschaftskrise, Dollarabwertung … man muß das Vaterland wirklich heiß lieben, um das zu ertragen.«
»Verlegen wir uns nicht aufs Philosophieren, Cortone. Enthalten Ihre Lohnlisten Geheimnisse?«
»Eine Gegenfrage: Enthält mein Hintern ein Geheimnis? Nein! Er sieht, bis auf kleine individuelle Unterschiede, so aus wie Ihrer! Aber trotzdem würde ich mir nie erlauben, jetzt vor Ihnen die Hose herunterzulassen!«
»Wenn es Sie anregt – ich habe diese Hemmungen nicht.« Berringer stand auf und begann, seinen Gürtel zu lösen. Cortone hob sofort beide Hände.
»Halt! Sie haben gewonnen, Mr. Berringer. Ich lasse die Listen kommen.« Er drückte auf einen Knopf an seinem Sprechapparat und bellte in irgendeinen fernen Raum hinein. »Die Lohnlisten aus den letzten fünf Jahren, alle! Schnell!«
»Danke«, sagte Berringer höflich. »Noch eine Frage.«
»Ich weiß gar nicht, warum ich mich von Ihnen so ruhig verhören lasse. Aber bitte.«
»Reisen Sie viel?«
Cortone schob die Lippen von seinen Zähnen. Schöne Zähne. Ebenmäßig. Jacketkronen. Sein Zahnarzt hatte damit ein gutes Geschäft gemacht.
»Als wenn Sie das nicht schon längst ausgeforscht hätten. Nein, ich bin ein Stubenhocker. Ich liebe New York, den Asphalt, die Straßenschluchten, den pulsierenden Verkehr und die Auspuffgase. Vielleicht ist das pervers – aber ich kann's nicht ändern. Nur einmal war ich weg … in Acapulco. Mit Lucretia. Wollen Sie Lucretia auch sehen? Es lohnt sich. Wenn sie vor Ihnen hergeht, werden Sie schwindelig. Sie wäre der lebende Beweis, daß sich Darwin zumindest bei der Abstammung der Frauen irrte. Mögen wir Männer vom Affen abstammen – die Frauen stammen von den Raubkatzen ab! Ich rufe sie herein, die gute Lucretia Borghi …«
»Haben Sie keine Angst, eines Tages vergiftet zu werden?«
»Warum?« fragte Cortone, ehrlich erstaunt.
»Lucretia Borghi, das klingt nach Lucretia Borgia. Diese Renaissancedame löste alle Probleme mit Gift. Ich würde mir einen Vorkoster leisten, Cortone. Das war damals auch Mode.«
»Ein Witzbold, was?« Cortone lachte breit. Es klopfte, ein Mann, der weniger wie ein Buchhalter als vielmehr wie ein blödgeschlagener Boxer aussah, schleppte einen Stapel Schnellhefter herein und legte sie auf den riesigen leeren Tisch. Nach einem langen Blick auf Berringer, der ihm leutselig zunickte, verließ er stumm wieder das Büro.
»Die Listen.« Cortone legte beide Hände auf den Aktenstapel. »Kann ich Ihnen dabei helfen? Welchen Namen suchen Sie?«
»Geben Sie mir die Listen von vor vier Jahren.«
»Bitte.« Cortone sortierte die Stapel nach den Jahresaufschriften und schob Berringer eine Akte zu. Schon nach einem flüchtigen Durchblättern sah Berringer, daß er hier nicht fündig werden würde. Er warf den Schnellhefter auf den Stapel zurück.
»Nichts?« fragte Cortone zufrieden.
»Es fehlt ein Name.«
»Unmöglich. Wer bei mir ein Gehalt bezieht, ist in der Liste.«
»Nach meinem ersten, flüchtigen Eindruck fehlen sogar neun Namen in der Liste.«
»Diese Buchhalter!« Cortone gab sich entrüstet.
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