Die Drohung
»Kaum zu glauben. Ich möchte nur wissen, wie die Burschen, die in der Liste fehlen, ihr Geld bekommen haben. Irgendwo müssen sie doch verbucht sein!«
»Passen Sie mal auf, Cortone.« Berringer holte aus seiner Brusttasche einen Bogen heraus. In München hatte die Gruppe Beutels mit jener Gründlichkeit gearbeitet, für welche die deutsche Polizei berühmt war. In tagelangem Durchwühlen aller Lohnlisten und Einstellungsverträge der Olympiabaugesellschaft und der von ihr beauftragten Einzelfirmen hatte ein kleines Heer von Beamten die Namen aller ausländischen Arbeiter herausgezogen, die aus Amerika via Heimat Italien auf dem Oberwiesenfeld gelandet waren. So hatte man jetzt eine Liste von 27 Namen in der Hand, alles Italiener, die einmal versucht hatten, in den USA Fuß zu fassen, und – nach eigenen Angaben – enttäuscht nach Europa zurückgekehrt waren, um hier doch noch das große Geld zu verdienen. Die Liste umfaßte alle Abgesandten Cortones, die den schönen Betrieb der ›Witwen- und Waisenkasse‹ aufgezogen hatten und als Kassierer beschäftigt waren. Sie war fast vollständig. Es fehlten lediglich die Spezialisten, die nur vier Wochen als Touristen in Deutschland weilten und mit Hilfe ihrer amerikanischen Erfahrungen die Organisation in München im Blitztempo aufbauten. Auch war ein Teil der auf der Liste Stehenden aus München wieder abgereist, entlassen wegen der Beendigung der Olympiabauten. Deren Spuren verliefen sich in Italien, versickerten in den Hafenstädten. Beutels nahm an, daß sie längst wieder in den USA waren. Berringer gab ihm darin recht.
»Soll ich Ihnen eine Reihe vorlesen?« fragte Berringer jetzt.
Cortone winkte ab. »Ich habe ein miserables Namensgedächtnis. Außerdem kommen und gehen bei uns die Jungs. Bis auf die Trainer, die Stammpersonal sind, wechseln die Hilfskräfte schnell. Verständlich. Eimertragen und Geräteputzen ist ein mieser Job.«
»Da wäre einmal der liebe, kleine, agile Pietro Bossolo …« sagte Berringer gemütlich. »Vor zehn Jahren ausgewandert in die USA. Zurückgekehrt vor zwei Jahren, taucht in München auf, wird Eisenflechter, ein fleißiger Mann. Sitzt jetzt in München in einer Zelle.«
Cortone, von dieser Nachricht ehrlich überrascht, zeigte keinerlei Wirkung. Hier bewies er, daß er einer der Großen seines Gewerbes war, kalt und beherrscht im Augenblick der Gefahr.
»Kenne ich nicht«, sagte er. »Warum sitzt er?«
»Kleine Gaunerei. Aber er hat Erinnerungslücken. Er weiß nicht mehr, daß er in New York war. Er sagt immer Boston. Ein fataler Sprachfehler.«
»Sein Problem. Ich bin kein Psychiater.«
»Aber er war bei Ihnen beschäftigt. Neun Jahre lang! Und ist in keiner Lohnliste geführt. Cortone, das Steueramt wird jubeln.«
»Ich kenne keinen Pietro Bossolo.« Cortone blieb dabei. Noch wußte er nicht, was in München geschehen war. Was dieser Dr. Hassler ihm per Funk berichtet hatte, war verworren. Eine Kahnpartie auf einem bayrischen See, mit einem Sack voller Dollars, nur um die deutschen Behörden zu narren und den Ernst der Lage zu demonstrieren … auf so einen Blödsinn konnte auch nur ein Deutscher kommen. Aber die Sache war geschehen, man mußte sie verdauen, aber man lernte daraus, daß die Entfernung New York - München zu groß für solch ein Unternehmen war und daß man unbedingt selbst in der Nähe sein mußte. Wenn Pietro Bossolo an dieser idiotischen Kahnpartie beteiligt war, hieß es schnell handeln und den Jungen aus dem Verkehr ziehen.
»Vor vier Jahren bumste Bossolo an einer Kreuzung auf der 34. Straße mit einem Taxi zusammen. Wahrscheinlich hat er's Ihnen nie erzählt.« Berringer trank genüßlich sein Glas Whisky leer. »Er wurde auf das Polizeirevier gebracht, man stellte keinen Alkohol im Blut fest, aber seinen Namen und seinen Arbeitgeber. Raten Sie mal, wer das war?«
Cortone legte die Hände über die Augen. »Ich war immer ein schlechter Rater, Mr. Berringer. Bei Preisausschreiben habe ich nie gewonnen. Wie's auch sei … ich kenne keinen Pietro Bossolo.«
10 Minuten später verabschiedete sich Berringer fast freundschaftlich von Cortone. Die Partie stand unentschieden, aber Berringer hatte einige Punktvorteile.
Als die Tür hinter ihm zuklappte, sagte Cortone aus tiefster Seele laut:
»Scheiße!«
Die Fahrt nach Europa mußte sofort angetreten werden.
München
Bossolo wurde entlassen, wie es Beutels gesagt hatte. Er konnte es kaum richtig fassen, plötzlich frei zu sein und allein auf
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