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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Ettstraße zu stehen. Die Menschen umfluteten ihn wie Wellen, spülten ihn mit sich in die Kaufingerstraße hinein, er trottete in eines der großen Bierlokale, setzte sich an den blanken Holztisch, knabberte ein Brötchen, das in einem Spankorb auf dem Tisch stand, und bestellte ein großes Bier. Vor der Entlassung hatte man ihm in der Asservatenkammer alles wiedergegeben, was man ihm bei der Verhaftung abgenommen hatte. Nun besaß er wieder 500 Mark, konnte sich ein Eisbein leisten oder ein Gulasch oder eine Terrine Linsensuppe. Auf Spaghetti verzichtete er. Ein Italiener, der außerhalb seiner Heimat Spaghetti ißt, ist ein Masochist.
    Während Bossolo aß und trank und sich dem Wohlgefühl von Freiheit und gefülltem Magen hingab, setzten sich zwei unauffällige Männer in seine Nähe. Der eine ging später hinaus, zuerst zur Toilette, dann in eine Telefonzelle und rief das Holiday Inn an.
    »Er ist draußen, Stepan Mironowitsch«, sagte der Mann. »Was soll nun geschehen?«
    »Sprechen Sie ihn an, zeigen Sie ihm 100 Dollar und sagen Sie ihm, den Rest bekäme er gleich. Er brauche nur mitzugehen.«
    »Und wenn er mißtrauisch wird?«
    »Dann lassen Sie ihn gehen. Er wird zum Lager zurückkehren. Folgen Sie ihm, und rufen Sie mich an, wenn er bei den Baracken angekommen ist.« Lepkin saß allein in seinem Appartement an einem Klapptisch und aß Seezunge à la Walewska. Dazu trank er einen herben Chablis, gut gekühlt und von einer Würze, die sich erst am Gaumen entfaltete. Das Telefontischchen stand neben ihm. »Was macht er gerade?«
    »Er ißt ein Gulasch.«
    »Haben Sie keinen unserer amerikanischen Freunde in der Nähe gesehen?«
    »Nein, Stepan Mironowitsch.«
    Lepkin legte das Fischbesteck, das er noch in der linken Hand hielt, hin. Er fand das merkwürdig. Es war nicht seine Art, Holden zu unterschätzen, aber jetzt enttäuschte ihn dessen Passivität. Bossolo wußte mehr, das war so sicher wie die Wolga ins Schwarze Meer fließt. Ihn zum Reden zu bringen, war ebenfalls kein Problem, wenn man die ganze Sache nicht vom humanitären, sondern vom heißen politischen Standpunkt aus betrachtete. Ein Verhör des KGB lief anders ab als ein Verhör des CIA, darüber war sich Lepkin klar. Wer etwas weiß, hat das zu sagen – das ist ein einfacher, klarer Satz. Wer ihn nicht versteht, muß mit Nachdruck an ihn erinnert werden.
    »Gehen Sie sofort zurück, Malewski! Sie sind blind, zum Teufel! Es ist vollkommen unmöglich, daß Bossolo allein geblieben ist!«
    Er legte auf, trank ein Glas Chablis, aß drei Bissen der vorzüglichen Seezunge, als das Telefon wieder klingelte. Er hatte es erwartet. Ein aufgeregter Malewski keuchte in die Muschel.
    »Er ist weg, Stepan Mironowitsch! Sein halbes Gulasch hat er stehenlassen! Kann man das begreifen? Jemand bestellt sich solch ein gutes Gulasch und verschwindet dann …«
    »Erledigt.« Lepkin wischte sich mit der Serviette über den fettigen Mund. Die Seezunge war in reiner Butter gebraten. »Brechen Sie die Suche ab, Malewski. Fahren Sie heute noch nach Moskau und melden Sie sich in der Abteilung III.«
    »Genosse Major –«, die Stimme Malewskis wurde weinerlich. Es war für Lepkin ekelhaft, so etwas anhören zu müssen. »Ich werde Bossolo finden, wenn Sie mir nur diesen einen Tag noch Zeit lassen.«
    »Fliegen Sie nach Moskau zurück!«
    »Stepan Mironowitsch –«
    Lepkin legte auf. Man muß Niederlagen verkraften können, dachte er. Und man muß für sie einstehen. Ich werde Abetjew sofort berichten … ruft er mich auch nach Moskau zurück – ich werde am Telefon nicht weinen. Mit ruhiger Hand nahm er den Hörer wieder auf und wählte die Nummer des Sheraton-Hotels.
    »Mr. Holden bitte.«
    Ein Knacken, dann die forsche Stimme Holdens. »Hallo?«
    »Lepkin hier.«
    »Ah, Kollege aus der Kälte! Was gibt's?«
    »Ich gratuliere.«
    »Wozu?«
    »Lassen Sie mich nicht meine Niederlage wiederholen.«
    »Sie sprechen in Rätseln, Lepkin. Ich rasiere mich gerade und freue mich auf den Abend mit Ihnen. Es bleibt doch dabei?«
    »Natürlich.« Lepkin sah starr gegen die Wand. Das Gefühl, zusammen mit Holden ein Besiegter zu sein, war geradezu erdrückend. Er kannte Holden so gut, um zu wissen, daß dieser ihm lachend gestanden hätte, Bossolo eher im Griff zu haben. Also war seine Verwunderung echt. Wer hatte Bossolo mitgenommen? »Ich glaube, wir haben viel miteinander zu besprechen«, sagte Lepkin. »Können wir nicht schon früher

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