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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Holden an.
    »Besuchen Sie mich mal, Brüderchen. So um den 26. August herum …«
    »Da werde ich im Stadion sein, Lepkin.«
    »Dann komme ich auch.«
    »Seien Sie nicht blöd, Lepkin. Fliegen Sie zurück nach Moskau.«
    »Warum fliegen Sie nicht zurück nach Washington?«
    »Wollen Sie darauf wirklich eine Antwort?«
    »Sie wollen doch auch eine von mir.«
    Man war sich wieder einmal einig, und das nicht nur darum, weil man einmal gemeinsam nackt zum Ufer des Staffelsees gerudert war.
    25. August.
    Die Fackel hatte München erreicht. Der Läufer trug sie gerade über die Theatinerstraße, dem Odeonsplatz entgegen, als Holden Lepkin im Moor besuchte. Da Lepkin nichts mehr hatte von sich hören lassen, war anzunehmen, daß er klüger war als Holden. Abetjew in Moskau hätte auch niemals zugelassen, daß sein bester Mann in einer Atomwolke weggeblasen würde.
    Die Hütte lag in der Sonne, einsam, windschief, trostlos. Und Holden, der seinen Wagen auf einem kleinen Weg geparkt hatte und zu Fuß weitergegangen war, blieb stehen, von einem unerklärlichen Gefühl festgehalten, und rief:
    »Lepkin! Ich bin's!«
    Keine Antwort. Holden griff in die Tasche, zog seine Pistole hervor, entsicherte sie und näherte sich in einem Bogen der Hütte. Plötzlich überflutete ihn Angst. Nicht Angst vor einer möglichen Auseinandersetzung, sondern Angst um Lepkin, Angst, zu spät zu kommen, Angst, zu sorglos gewesen zu sein, Angst vor der Wahrheit, daß auch er versagt hatte.
    In 24 Stunden würden die Olympischen Spiele eröffnet werden. Die deutsche Bundesregierung spielte Vabanque … sie ließ alles planmäßig abrollen, so, als habe es überhaupt keine Drohung gegeben. Und sie bewies selber Mut … der Bundespräsident würde die Spiele freigeben, der Bundeskanzler und alle Minister würden auf der Ehrentribüne sitzen, neben den Kaisern und Königen, Prinzen und Staatschefs, dem päpstlichen Nuntius und den Kardinälen, Bischöfen und Aristokraten. 81.000 Menschen hielten sich zu dieser Stunde allein im weiten Rund des Stadions auf, 150.000 Menschen insgesamt bevölkerten das Olympiagelände … und sie alle, diese fröhlichen, erwartungsvollen, glücklichen, stolzen Menschen waren einem fürchterlichen Tod durch 12 Kilogramm Plutonium nahe. Nur wenige kannten die Wahrheit, und die sie kannten, würden dasitzen mit einem gefrorenen Lächeln, etwas steifer als sonst, die Todesahnung im Nacken, die fürchterliche Angst im Herzen, würden dasitzen und warten … warten … warten …
    Die schrecklichste Hinrichtung aller Zeiten.
    Holden wagte es, ungedeckt über das freie Feld zur Hütte zu rennen. Niemand beschoß ihn, aber als er die Tür aufstieß, wußte er, daß er zu spät und doch rechtzeitig genug gekommen war.
    Lepkin lag auf dem Boden in einer Blutlache. Er war bei Besinnung, sah Holden aus geweiteten Augen und mit halboffenem Mund an und sagte mit einer grauenhaften Deutlichkeit:
    »Er kam vor zwei Stunden. Und diesmal war ich eine Sekunde zu spät. Er sah verkommen aus, sicher hat er die ganze Zeit im Wald gehaust. Aber er schoß sofort.«
    »Lepkin! Wo hat es Sie erwischt?« Holden wollte niederknien und Lepkin untersuchen, aber Stepan Mironowitsch hob mit großer Kraftanstrengung die Hand.
    »Ich verblute nicht, Holden, er hat zwei Stunden Vorsprung. Aber ich habe ihn noch getroffen. In die Schulter. Ich habe den Einschlag gesehen. Nur eine Sekunde zu spät. Ich werde nie wieder laufen können.«
    »Lepkin, mein Gott …«
    »Genau in die Wirbelsäule. Ich bin von der Brust abwärts taub. Das ist herrlich … keinerlei Schmerzen, nur eine verdammte Kälte. Als ob der Kopf im Bratofen und der Leib im Eis läge. Ein tolles Gefühl. Suchen Sie Cortone. Er muß eine Blutspur hinterlassen haben. Er hatte nur seinen Revolver bei sich … keine Tasche, keinen Kasten. O Mutter von Kasan, wenn er den Zünder abgeliefert hat! Suchen Sie ihn! Sie können die Spiele noch verhindern, wenn er –«
    Lepkin schluckte. Er war so tapfer, seine Angst nicht zu zeigen. Schmerzen empfand er wirklich nicht, aber er spürte, wie die Kälte höher kroch, wie sie bald sein Herz erreichen würde. Das ist besser, als für immer gelähmt zu sein, dachte er. In einem Rollstuhl sitzen, ein Krüppel, der vielleicht 100 Jahre alt wird, soll so ein Stepan Mironowitsch Lepkin leben?! Natürlich, es gibt Tausende, die in einem Rollstuhl sitzen und das Leben weitergenießen können, aber sie heißen nicht Lepkin, und sie haben nicht etwas von einem Wolf

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