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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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frites mit.
    Sie war müde und hungrig. Den ganzen Vormittag Modeaufnahmen mit den beiden lesbischen Mannequins Iris und Marilyn, die sich in den Einstellpausen küßten und über den Hintern streichelten. Zu mehr kam es nicht, denn Helga blies immer dann zu neuen Aufnahmen, wenn die Augen von Iris und Marilyn den gefährlichen Glanz bekamen, der – einmal ausgebrochen – nicht mehr zu beherrschen war. Helga kannte das. Vor vier Wochen hatte sie bei einer solchen Gelegenheit eine Serie von lesbischen Spielen ganz nebenbei geschossen, die sie nach Dänemark verkaufte. Ihr war übel bei diesen Fotos geworden, denn bei aller Burschikosität und scheinbaren Abwehr gegen Männer merkte sie in solchen Situationen, wie normal sie reagierte. Heute war dann auch noch der schwule Dressman Walther (mit ›th‹) hinzugekommen, der immer »Korrigiere mich, mein Liebstes« flötete, wenn sie ihm zurief: »Steh anders, zum Teufel! Nimm das Bein zurück, und deinen Hintern will auch keiner sehen!«
    Worauf Walther Polianski antwortete: »Irrst du dich da nicht, mein Liebstes?«
    Es war ein aufreibender Morgen gewesen.
    Die Dachwohnung von Hans war leer, als Helga sie mit dem zweiten Schlüssel aufschloß. Das Bett war ungemacht, das Frühstücksgeschirr stand noch auf dem Tisch – das war nichts Neues. Nachdenklich wurde Helga Bergmann erst, als sie an verschiedenen Anzeichen erkannte, daß es nicht das Frühstück war, was hier stand, sondern ein schnelles Abendessen. Das Bett war auch nicht wie nach einer Nacht zerwühlt, sondern Hans hatte lediglich auf ihm gelegen, oben drauf, angezogen sicherlich. Mit anderen Worten: Er war die Nacht über nicht zu Hause gewesen und bis jetzt nicht wieder aufgetaucht.
    Ein Mädchen, dachte Helga. Hans war noch nie ein Heiliger gewesen. Am Abend, wenn er zurückkam, berichtete er dann immer. Keine Einzelheiten, sondern nur eine deutliche Typologie der bevorzugten Dame. Meistens sagte Helga dann: »Keine zum Heiraten!« Und Hans Bergmann antwortete lachend: »Wie muß sie denn aussehen, die Frau Bergmann?«
    »Wie ich!«
    Ein Argument, das Hans sofort akzeptierte. Nur gab es Helga in dieser Idealausführung nur einmal.
    An diesem Mittag räumte Helga auf, wickelte den warmen Schinken und die Pommes frites aus, aß unlustig, las die Zeitung dabei, rauchte eine Zigarette und erleichterte die Cognacflasche ihres Bruders um zwei Gläschen. Dann entdeckte sie etwas, was ihr neu war: Auf dem Bücherbord lag ein Buch: ›Der Sporttaucher. Anleitungen und Ratschläge für Unterwasserjäger‹.
    Sie blätterte darin herum, betrachtete die Fotos und Zeichnungen und fragte sich, was Hans damit anfangen wollte. Ein Artikel über Tauchen? Das Buch war geliehen, aus dem Archiv der Illustrierten, für die Hans arbeitete. Eine Auftragsarbeit sicherlich.
    Sie legte das Buch ins Regal zurück, rauchte noch eine Zigarette, stellte sich das Mädchen vor, bei dem Hans jetzt so intensiv die Zeit vergaß, schrieb dann auf einen Zettel: ›Schinken und Pommes frites liegen im Kühlschrank. Mach's dir warm‹, und legte ihn auf den Tisch.
    Dann fuhr sie zurück ins Atelier.
    Abends um acht war Hans noch immer nicht gekommen. Helga Bergmann, durchaus keine ängstliche Natur, bezwang eine Art Unruhe in sich. Es kann vorkommen, daß jemand rund um die Uhr liebt, aber Hans gehörte nicht zu diesen Potenzprotzen. Es wäre das erstemal gewesen, und Helga konnte sich kaum ein Mädchen vorstellen, daß solche Qualitäten entwickelte, um Hans aus seinen Rhythmus zu reißen.
    Um halb neun rief sie im Verlag an.
    Der Ressortleiter ›Aktuelles und Serien‹ war schon gegangen, aber der Chefredakteur war noch im Haus. Er kam als erster und ging als letzter, nicht, weil er soviel zu tun hatte oder ein Beispiel für seine Redakteure sein wollte, sondern weil sein Chefzimmer die einzige stille Oase in seinem Leben war. Zu Hause ernährte er seine Frau, die mit zunehmender Reife zänkischer wurde, sein Sohn, Abiturient, predigte dämliches Zeug von antiautoritärer Erziehung, seine siebzehnjährige Tochter zeigte ungeniert ihren Freund herum und gestand, daß sie auch mit ihm schlief. Drohungen, Schläge, Ermahnungen halfen nichts, der Abiturient hielt Vorträge über die sexuelle Freiheit Heranwachsender, seine Frau jammerte, sie sei nur noch Putzfrau mit einem miserablen Gehalt … alles in allem eine Familie, die man kaum als kleinste Zelle eines glücklichen Volkes ansprechen konnte. So blieb die Redaktion nicht nur als letzte,

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