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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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an. Augen eines bettelnden Hundes, ergeben bis auf den Grund der Seele. Beutels schenkte noch ein Hütchen Cognac ein und gab es Bossolo.
    »Warum haben Sie mir nicht gesagt, daß Sie vor anderthalb Jahren aus Amerika zurückkamen?« Eine Frage wie ein Schuß. Aber Bossolo war gepanzert.
    »Ist das so wichtig, Kommissar?«
    »Für dich nicht. Warum bist du zurück?«
    »Heimweh, Kommissar.«
    »Mir schießen die Tränen in die Augen.«
    »Mir auch, Kommissar.« Bossolo begann zu schluchzen. Wahrhaftig, er beugte sich vor und weinte. Beutels betrachtete diese Meisterleistung mit Faszination. »Mama war so krank, Papa hatte sich in Bein gehackt …«
    »Es ist erschütternd, Pietro. Wo hast du in Amerika gearbeitet?«
    »In Boston.«
    »Bei wem?«
    »Auf dem Bau. Mal hier, mal da … in Amerika ist alles anders, Kommissar.«
    »Wem sagst du das!« Beutels stand auf, klopfte gegen die Tür, von draußen rasselte der Schlüssel im Schloß. »Mach's gut, Pietro.«
    »Sie wollen mich verlassen, Kommissar?«
    »Du uns. Ich lasse dich morgen frei.«
    »Danke, Kommissar.«
    Strahlende Augen. Zufriedenheit. Triumph. Beutels nahm diese Regungen Bossolos mit nach oben in sein Dienstzimmer.
    Im Keller legte sich Bossolo auf die Pritsche und hätte singen können vor Freude. Der Unbekannte hatte Recht behalten: Man konnte ihm nichts nachweisen und nichts anhängen.
    Aber er hatte 10.000 Dollar verdient.
    Madonna mia, du belohnst die Anständigen. Papa hat die Wahrheit gesagt.
    »Meine Herren«, sagte wenig später Beutels zu einem Gremium der ›Sonderkommission Olympia‹, »wir wissen jetzt wesentlich mehr. Es gibt einen Unbekannten, der Befehle erteilt … in italienischer Sprache, obgleich er, nach Ansicht Bossolos, ein Deutscher sein muß. Dieser Mann im Dunkeln hinkt oder schleift das linke Bein nach. Die verlangten 100.000 Dollar im Boot waren nur ein Test – wie im Brief angekündigt. Bossolo ist bloßes Werkzeug, Bergmann ein Journalist, der durch irgendein Loch in unserer Geheimhaltungsmauer Wind von der Sache bekommen hat. Er hat uns auch vorgegriffen und durch seine Schwester Helga die Anzeige aufgeben lassen. Dafür müßten wir ihm dankbar sein, denn sie lockerte unsere Lethargie auf. Es wird also klar: Die Drohung ist kein Scherz! Sie ist verdammt blutiger Ernst, in des Wortes grauenhaftester Bedeutung. Wir müssen uns damit abfinden: Im Olympiastadion liegen zwei Atombomben versteckt. So ungeheuerlich das ist, wir dürfen nicht mehr die Augen schließen und beten: Lieber Gott, laß alles nur einen Witz sein. Der liebe Gott hat Hiroshima nicht verhindert, er wird auch Münchens Vernichtung nicht aufhalten. Das können nur wir … und die Regierungen aller an den Olympischen Spielen beteiligten Nationen. Wir müssen einfach die 10 Millionen Dollar zahlen.«
    »Sagen Sie das mal dem Innenminister.«
    »Das werde ich! Wer will die Verantwortung übernehmen, die Spiele unter dieser unfaßbaren Drohung stattfinden oder ausfallen zu lassen?« Beutels lehnte sich zurück. Man hatte ihn noch nie so ernst und humorlos gesehen. »Und eins weiß ich, was mich zu der Annahme, daß wir es mit einem massiven Gegner zu tun haben, berechtigt: Eine dünne Spur läuft nach Amerika. Wenn irgendwo eine private Atombombe gebaut werden kann, dann dort! Sie finden in der Anlage 5 der Akten einige Berichte aus den USA, in denen offen von diesen Möglichkeiten gesprochen wird. 350.000 Dollar kostet das private Basteln einer Plutonium-Bombe. Das ist weniger als der halbe Monatsgewinn einer kleinen Mafia-Ortsgruppe in den Vereinigten Staaten! Wer diese Zahlen kennt und eine Spur in die USA hat, der sollte die Drohung von München ernster nehmen als einen Pistolenlauf im Genick. Ist das deutlich genug, meine Herren?«
    Betretenes Schweigen antwortete ihm. Nur der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Deutschland sagte nach einer langen Atempause leise in die drückende Stille:
    »Wenn man an diese Katastrophe denkt, könnte man wahnsinnig werden –«

Oberwiesenfeld
    Am 30. April, dem letzten Sonntag des Monats, schwankte der Maurer und Bruchsteinverleger Jakob Hunnebreit zurück zu seiner Wohnbaracke auf dem Olympiabauplatz. Er war betrunken, fuhr aber aus Trotz, weil ihm der Wirt vom ›Blauen Affen‹ den Schlüssel hatte wegnehmen wollen, seinen Wagen bis zu den neuen Parkplätzen in der Nähe der Radrennbahn, diesem aufgeschnittenen Riesenei inmitten von Wegen, Park- und Gartenanlagen. Er stellte das Auto ab, schloß die

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