Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
Vom Netzwerk:
angerichtet hat. Hoffentlich wollen sie es den ›Luschen‹ nicht durch ein extra hartes Urteil beweisen.«
    Ich brach wieder in Tränen aus. »Friedrich, du nimmst mir jede Hoffnung, sag, dass es auch beim Militär fühlende Menschen gibt!« Und obwohl ich selber aus eigener Erfahrung wusste, dass dem eher nicht so war, nickte Friedrich und meinte tröstend: »Ich glaube, Estelle, auch die Militärs werden es einsehen müssen, wir stehen am Beginn einer neuen Zeit, wo Fehden zwischen den Völkern mit den Mitteln der Politik am grünen Tisch und nicht mit Feldhaubitzen und Maschinengewehren auf den Schlachtfeldern ausgetragen werden.«
    Das klang so überzeugend nach angelernter Propaganda, dass ich spontan fragte: »Bist du seit Neuestem Pazifist, Friedrich?«, worauf er lachend meinte: »Natürlich, Estelle, das ist doch heute erste Bürgerpflicht!«
    Wir hofften und bangten und bangten und hofften, aber auch Vanderborg, der einige Tage nach Friedrich kam, hatte keine neuen Nachrichten, nur Hansmann habe angedeutet, die Handelsbank von Utz, in der er seit einigerZeit arbeitete, stecke in finanziellen Schwierigkeiten, weil er bestimmte Warentermingeschäfte wegen der Kämpfe in den Kolonien nicht fristgerecht abwickeln konnte, was zu hohen Regressansprüchen seiner Handelspartner gegen ihn geführt habe.
    »Er macht doch nicht Bankrott?«, fragte ich alarmiert, denn wenn ich schon so unter ihm leiden musste, wollte ich doch wenigstens eine gewisse Sicherheit dafür für mich und mein Kind haben.
    »Nein, nein, so arg ist es nicht, aber er muss schon sehr spitz kalkulieren und vermutlich länger als gedacht in Südwestafrika bleiben, um die Dinge dort zu kontrollieren und wieder in normale, wirtschaftlich einträgliche Bahnen zu lenken.«
    »Hat er denn dich und den Großen Pilati doch noch kreditiert?«, wollte ich wissen, worauf Vanderborg nur den Kopf schüttelte. »Wir haben auf sein Geld gepfiffen, so wie er mit dir umgegangen ist. Gertruds Vater hat uns ausgeholfen und ich kann dir sagen, meine neue Illusionsmaschine ist die Sensation im Wintergarten und hat schon ein Vielfaches des Kredites wieder eingespielt. Der Große Pilati ist berühmter als je zuvor und niemand fragt mehr nach Houdini und seinen Entfesselungskünsten.«
    »Das freut mich«, sagte ich ehrlich froh darüber, dass Vanderborg endlich wieder den Erfolg genießen durfte, den er als genialer Tüftler auch verdient hatte. Und als er gar noch meinte, es tue ihm leid, dass ich in der Ehe mit Utz so unglücklich geworden sei, da musste ich ihn einfach in den Arm nehmen, wobei das durch meinen nun unmäßig dicken Bauch etwas schwierig war. Wir brachen darüber in ein albernes Gelächter aus, das von meiner Seite bald so heftig wurde, dass es eher nach Wahnsinn dennnach Frohsinn klang. Und weil es meinen ganzen Körper erschütterte und schließlich in ein Schreien und Schluchzen überging, mit dem ich den ganzen Schmerz und die Sorge um Amadeus aus mir hinausschleuderte, setzten unvermittelt die Wehen ein und unter mir bildete sich eine Pfütze, die von dem Fruchtwasser herrührte, das aus der geplatzten Fruchtblase austrat. Ich wusste das, weil es mich an Gertrud erinnerte, bei der es ähnlich begonnen hatte.
    Anders als vor einigen Wochen, als ich ja schon einmal heftige Wehen gehabt hatte, war dies ein untrügliches Zeichen: Die Niederkunft stand nun unmittelbar bevor.
    Ich war glücklich, dass sowohl Friedrich als auch Vanderborg gerade auf Blankensee waren, aber alles in mir verlangte nach Amadeus, und so hatte ich trotz aller Schmerzen nur einen Gedanken und flehte Friedrich an:
    »Bring Amadeus her, hilf ihm zu fliehen, sie dürfen ihn mir nicht nehmen!«

    Hatte schon die Niederkunft meiner Schwägerin beim ersten Kind lange gedauert, so schien die meine endlos. Friedrich hatte in Berlin Hansmann sowie Gertrud informiert und Gertrud hatte sofort den Säugling, Wilhelm und ein paar notwendige Sache in die Kutsche verfrachtet und war dann zu ihrer Hebamme gefahren, um sie mir zur Hilfe nach Blankensee zu bringen. Als beide in mein kleines Schlafgemach traten, wo ich von Krämpfen geschüttelt und halb verdurstet lag, schöpfte ich wieder Hoffnung. Aber obwohl die Hebamme versiert und selbstbewusst mit mir umging und sehr aufmunternd war, überschattete doch eine große Sorge mein Gemüt und ließ mich apathisch werden und wenig aktiv am Geburtsgeschehen mitarbeiten. Denn je näher der Zeitpunkt rückte, an dem mein Kind in meinenArmen liegen

Weitere Kostenlose Bücher