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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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flehend vor ihnen in den Staub warfen, um nicht in die erbarmungslose Wüste gehen zu müssen, da eilte ich zu von Trotha und verlangte ein Ende dieses Mordens.
    Er sprach kein Wort mit mir, sondern ließ mich sofort von zwei Militärpolizisten abführen und bis zu meinem Abtransport in die Heimat gefangen setzen.
    Und nun bin ich hier und erwarte mein Todesurteil und mache mir Vorwürfe, dass ich nicht genau wie der einfache Soldat an mein Weib zu Hause gedacht habe.«
    Er entzog mir seine Hand und mit einer verzweifelten Geste brach es aus ihm heraus: »Estelle, auch wenn ich nicht ahnte, dass du in Umständen bist, so hätte ich doch wissen müssen, wie nötig du mich brauchst, und schäme mich, weil ich dir gegenüber so verantwortungslos gehandelt habe.«
    Mir blieb nur eine Möglichkeit, um ihn aufzurichten, ich musste ihm die Gewissheit geben, dass es richtig gewesen war, was er getan hatte. So dachte ich an die grauenvolle Schlacht um Magdeburg und den gnadenlosen Oberkommandeur Tilly, dem von Trotha offenbar in nichts nachstand, als ich sagte: »Es gibt immer Generäle, die nur ihre militärischen Ziele verfolgen und darüber jede Menschlichkeit vergessen. Wenn ihnen niemand Einhalt geböte, so wäre die Welt ein einziges Schlachthaus. In Europa die Idee der Völkerfreundschaft zu predigen und in Afrika die Menschenrechte mit Füßen zu treten, das wird auf Dauer nicht gehen. Irgendwann werden sich alle unterdrückten Völker der Welt gegen ihre Unterdrücker auflehnen und Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit werden auch für die Neger gelten müssen. Dann können wir froh sein, wenn sie uns nicht mit gleicher Münze heimzahlen, was wir jetzt an ihnen verbrechen.«
    Ich griff erneut und weiterhin vom Gefängniswärter geduldet nach seiner Hand und es war, als strömte plötzlich zwischen uns eine wunderbare Energie. »Was du getan hast, Amadeus, war richtig, und wenn das Gericht dich dafür verurteilt, so spricht es nicht Recht, sondern Unrecht.«
    Ich hatte mich sehr ereifert und so trat der Wärter jetzt doch zu uns und ermahnte mich. »Die Zeit ist nun auch um«, meinte er, als ich mich entschuldigte.
    Amadeus stand auf, und während der Wärter sich dezentzum Fenster drehte, nahmen wir uns kurz in die Arme und küssten uns wie zwei Verdurstende. Sanft strich Amadeus über meinen hochschwangeren Bauch und sagte leise:
    »Ich wünschte, die Richter würden die Dinge so betrachten wie du, aber es sind keine Menschen, sondern Soldaten, und so sehe ich schwarz. Wenn ich sterben muss, Estelle, dann erzähle unserem Kind, dass ich für uns alle gestorben bin und dass ich es in Ehre getan habe.«
    Als ich wieder zu Friedrich stieß, der in dem kalten, kahlen Flur gewartet hatte, verließen mich meine Kräfte. Es hatte mich eine so unmenschliche Anstrengung gekostet, Amadeus meine Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit nicht merken zu lassen, dass ich nun an Friedrichs Schulter völlig zusammenbrach und er mich einmal mehr stützen und trösten musste.
    »Sie werden ihn töten, Friedrich«, stammelte ich in Tränen aufgelöst und wimmernd fügte ich hinzu: »Er wird sein Kind niemals sehen …«
    Da lachte Friedrich schmerzlich auf und sagte mahnend: »Sag niemals nie, Estelle, hast du das vergessen? Alles ist möglich und ich bin sicher, dass auch alles möglich wird, wenn wir nur fest genug daran glauben. Du weißt doch: Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.«

    Aber die Tage und Wochen vergingen und es gab keine neuen Nachrichten aus Spandau. Ich hockte in Blankensee, ohnehin von allen Informationsquellen abgeschnitten, und erst als Friedrich mit den neuesten Zeitungen auftauchte und berichtete, dass von Trotha auf Intervention des Reichskanzlers, dem die Weltöffentlichkeit im Nacken sitze, seinen Befehl zum Völkermord zurückgenommen habe, schöpfte ich ein wenig Hoffnung.
    »Sie werden doch Amadeus nicht verurteilen können, wenn sie schon selber sehen, dass von Trothas Befehl, gegen den er sich aufgelehnt hat, verwerflich und unmenschlich war. Nicht wahr, Friedrich, das werden sie nicht tun? Sag mir, dass Amadeus milde Richter finden wird, die Verständnis für sein mutiges Handeln haben.«
    Aber so gerne Friedrich mir auch Mut machen wollte, kein Mensch konnte vorhersehen, wie das Urteil für Amadeus lauten würde. »Es ist ein Militärgericht«, sagte Friedrich sorgenvoll, »das heißt, es sitzen dort alte Komissköppe, die gewiss auch noch Hurra schreien über das, was von Trotha in Afrika

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