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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Mondlicht einen zauberhaften Reigen.
    Ich ließ mich von der friedvollen Stimmung einfangen und setzte mich zu Amadeus auf den Steg, um einfach nur schweigend seine Nähe zu spüren.
    Aber er war alles andere als friedlich gestimmt und brauste sofort auf. »Du saugst meine Liebe aus mir heraus und hältst mich zugleich hin, ohne mir die deine ebenso rückhaltlos zu schenken! Gib es doch zu, dass du mich gar nicht wirklich liebst! Jedenfalls nicht stark genug, um diesem Utz den Laufpass zu geben. Ich wünschte, ein Löwe würde ihm in Afrika in seinen reichen Hintern beißen und mit seiner Familie ein Festmahl an ihm halten.«
    Die Vorstellung brachte mich zum Lachen, obwohl die Situation alles andere als witzig war, weil Amadeus mir nicht zum ersten Mal vorwarf, ihn nicht genauso bedingungslos zu lieben wie er mich. Ein Vorwurf, der in seiner Ungerechtigkeit kaum zu ertragen war. Was würde er wohl sagen, wenn ich nicht nur seine Liebe, sondern auch sein Blut aus ihm heraussaugte, weil ich die Kontrolle über mich verlor?
    Anders als Friedrich verstand er nicht, dass alles, was ihm an Schmerz durch mich zugefügt wurde, allein aus Liebe geschah und mich noch tausendmal schlimmer quälte.
    Mein Körper drängte stets zu ihm hin und oft war es erst im allerletzten Augenblick, dass ich mich der Vereinigung mit Amadeus entziehen konnte. Es war die nackte Angst, die mich davor zurückhielt, mich ihm gänzlich hinzugeben, denn ich fürchtete, dass es danach kein Zurück zu Utz mehr geben könnte. Ich würde gebrandmarkt sein als Verbrecherin gegen Ehre und Sitte und die Treue meines eigenen gegebenen Wortes, aber das Schlimmste wäre, dass ich Amadeus in diesen Strudel des Verbrechens hineinziehen würde. So wäre nicht nur mein Leben, sondern auch das seine ruiniert. Eine solche Schuld vermochte ich nicht auf mich zu laden.
    Ich stand auf und ohne Hoffnung sagte ich: »Es ist nicht,wie du denkst, Amadeus. Meine Liebe zu dir ist so groß, wie sie nicht größer sein könnte. Doch weil sie ist, wie sie ist, muss sie das schützen, was sie liebt. Ich kann und darf nicht der Grund für deinen Untergang sein.«
    »Mein Untergang ist es, dass du mich nicht erhörst. Dass du mich an deinem Busen liegen lässt und mir deinen Schoß verwehrst. Hältst du mich für einen Knaben, dass du mich so am Gängelbande führst?«
    Ich fühlte, dass ein plötzlicher Schwindel mich schwanken ließ, und unvorsichtig tat ich einen Schritt neben den Steg und fiel mit einem kleinen Aufschrei in die Spree. Zwar zog mich Amadeus gleich zurück ans Land, doch waren meine Kleider vollgesogen und durch das Wasser schwer wie Blei an meinem Leib. Auch war der Fluss noch kalt und die Frühlingsbrise erschien mir plötzlich alles andere als angenehm und ließ mich schlotternd mit den Zähnen klappern.
    So siegte in Amadeus die Ritterlichkeit über den Zorn und er führte mich schnell zurück zur Kutsche, was freilich noch ein gutes Stück Weges war, das mir wie eine Ewigkeit erschien.
    »Wie ich es sagte«, meinte er schließlich, als wir den Wagen erreichten. »Du willst dich mir entziehen und selbst vor einem Bad im Fluss schreckst du zu deinem Zwecke nicht zurück. Wenn meine Liebe dir so zuwider ist, so lass uns voneinander scheiden. Ich liebe ganz oder gar nicht und gehe an solcher Halbherzigkeit zugrunde.«
    In seinem Gesicht trugen die Augen schwarze Trauer. Er half mir in die Kutsche, und als ich drinnen war, warf er von außen die Tür zu, streckte dem Kutscher das Mietgeld hin und forderte ihn auf, mich nach der Brüderstraße zurückzubringen. Dann gab er dem Pferd einen Klaps auf seinHinterteil, und als die Peitsche knallte, jagte die Kutsche ohne ihn davon.
    Ich weinte bittere Tränen und gab mein Glück mit Amadeus endgültig verloren.

    Es war Friedrich, der unverhofft den zerrissenen Faden zu Amadeus wieder zusammenknüpfte.
    War mein Leben auch oft schon jammervoll gewesen, so traf mich dieser nasse Abschied doch weitaus tiefer als vieles andere, was ich erleiden musste. Ich versank in einem seelischen Elend, welches meine Konstitution so hart angriff, dass ich bald heiß, bald kalt daniederlag und Vanderborg, der nach der Verlobung mit Utz frischen Mut geschöpft hatte und von morgens bis abends an einer neuen Maschine baute, zu der ihn der Besuch im Elektrizitätspalast auf der Pariser Weltausstellung inspiriert hatte, seine Arbeit unterbrach. Viele Stunden saß er an meinem Bett, um meine Hand zu halten und darüber zu wachen, dass mir

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