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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Gerechtigkeit einfordern?Es gab keinen Gott und das Schicksal war nichts als eine abstrakte und unberechenbare Größe. Es schleuderte den Menschen in die Zeit, und darin konnte er sein Leben lang strampeln und am Ende nur untergehen.
    Ich jedoch war kein Mensch, sondern untot und unsterblich und so würde mein Kampf endlos und unendlich sein. Was machte es da aus, ob ich Amadeus noch einmal traf ? Nichts, denn es war nicht bedeutsamer als ein Wimpernschlag im Verlauf der Ewigkeit.

    Zur verabredeten Zeit ging ich zu Fuß hinunter an die Spree.
    Vanderborg hatte am selben Tag von Hansmann über den Telegrafen Nachricht erhalten und rechnete mit der Ankunft des Dampfers aus Afrika am Ende der Woche in Hamburg.
    »Wir wollen hinfahren und ihn und deinen Verlobten dort empfangen«, hatte Vanderborg vorgeschlagen, und mir war kein Grund eingefallen, ihm diesen Wunsch abzuschlagen.
    So war es auch von daher nahezu die letzte Möglichkeit, mich vor der Heimkehr von Utz mit Amadeus auszusprechen.
    Bis heute hatte ich ihm mein wahres Ich verborgen und ihn in Unkenntnis darüber gelassen, dass der Vulkan, an dessen Glut sein Herz sich wärmte, kein warmer Ofen war, an dem er bis in sein Alter glücklich und zufrieden hocken konnte, weil sein Feuer kontrolliert und gemütlich glühte. Er wusste nichts von meiner vampirischen Natur und jener Urgewalt in mir, die unberechenbar und eruptiv das, was ich wärmte, unweigerlich auch tötete. Ich war wie ein Lavastrom vereint mit Ascheregen, der alles Leben in seinemUmkreis tödlich überdeckte. Das musste ich ihm sagen, bevor er sich ins Unglück stürzte.
    Doch von einer plötzlichen Sehnsucht überwältigt blieb ich am Ufer stehen und starrte in die dunkle Flut.
    Ein Kuss von mir bis auf sein Blut und Amadeus wäre tot.
    Ein Kuss und alle hätten Frieden. Ein Kuss und ewig wäre Ruh!
    Aber ich wusste, dass dies eine trügerische Sehnsucht war und dass ich selbst nach einem solchen Opfer niemals Ruhe finden würde.
    Und weil mir mein Tun darum plötzlich ganz und gar sinnlos vorkam, drehte ich mich um und lief zurück in die Brüderstraße. Dort weinte ich die Nacht hindurch über meine Schwäche und wünschte mir nichts sehnlicher als den Tod.

    Das Schiff lief pünktlich wie angekündigt in den Hamburger Hafen ein und braun gebrannt und berstend vor Energie trat Utz mir entgegen. Er wirkte wie ein Abenteurer, der in der Ferne sein Glück gemacht hatte, und mir war klar, dass er mir dabei wohl kaum treu geblieben war. Aber auch Hansmann überraschte uns, denn er stellte uns seine Verlobte vor.
    Sie hieß Gertrud, entsprach dem gesunden germanischen Menschentypus mit blauen Augen, hellem Haar und gebärfreudigem Becken und war die Tochter des Reeders Hoopmann, dem die Linie gehörte, mit deren Schiff er und Utz gereist waren. Sie war in Tanger mit ihrem Vater an Bord gegangen, und weil Utz einiges Geld in der Linie stecken hatte, so war man sich auf diesem Teil der Reise offensichtlich nahegekommen, und Hansmann hatte dieGelegenheit auf eine aussichtsreiche Partie beim Schopf ergriffen und dem Fräulein Gertrud am Kapitänstisch und anderswo fleißig den Hof gemacht. Doch einer baldigen Heirat stand der Herr Vater äußerst ablehnend gegenüber, dazu war ihm Hansmann wohl doch zu sehr ein Habenichts, und als er Vanderborg kennengelernt hatte, schien ihm die ganze Familie seiner Tochter nicht würdig, um nicht zu sagen suspekt, zu sein. Doch Hansmann hielt unverzagt an seiner Gertrud fest und der Abschied von ihr war wahrlich herzzerreißend und gar nicht das, was man von Hansmann bisher gewöhnt war. Offenbar hatte er sich tatsächlich in die naturschöne Reederstochter verliebt.
    »Ich hole sie mir! Wenn nicht heute, dann morgen. Das ist zwischen uns beiden abgemacht, und sie wird ihren Herrn Vater schon herumkriegen, seine Einwilligung zu geben.«
    Nun, vorerst stand diese noch aus, und sosehr ich mir gewünscht hätte, dass Hansmann eine gute Partie machte, damit ich der Hochzeit mit Utz noch in letzter Minute entgehen könnte, so wenig gab es Grund für solche falschen Hoffnungen.
    Aber immerhin hatten Afrika und Gertrud aus Hansmann einen Mann gemacht, der nicht nur wie bisher zielstrebig seine Geschicke zum eigenen Vorteil in die Hand nahm, sondern plötzlich sogar etwas wie Wärme und Menschlichkeit ausstrahlte.
    Und als Friedrich in alter Brüderrivalität, kaum dass wir zu Hause angekommen waren, noch einmal über Hansmann herziehen wollte, fiel ich ihm ins Wort und sagte:

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