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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Hinüberschwimmen würde ich auch abraten, aber was spräche gegen ein kleines Bad im See? Nur zur Erfrischung. Was dagegen einzuwenden?«
    Natürlich hatte ich sehr viel dagegen einzuwenden. Abgesehen davon, dass ich als Vampirin das Wasser ohnehin nicht übermäßig schätzte, wäre es sehr pikant, mit einem Mann nachts alleine beim Vollmondschein in einenJungfernsee zu steigen. Das war ihm selber auch wohl klar und schien ihn ganz besonders zu faszinieren, und so schlug ich, um ihn abzukühlen, vor, dass er sich meinetwegen nicht zurückhalten müsse und gerne zur Erfrischung etwas schwimmen könne. Ich versprach mir von seinem Bad noch ein wenig Aufschub für unser Gespräch und Zeit, in der ich meine Gedanken sammeln und die Worte wählen konnte, die konsequent und klar waren, ohne zu verletzen.
    Aber als er gar kein Ende finden wollte und immer wieder lockte, ließ ich mich hinreißen, die Schuhe und Strümpfe auszuziehen, den Rock zu schürzen und wenigstens die Zehen in das angenehm kühle Wasser zu tauchen.
    Doch zog in dem Moment, ganz schicksalhaft, eine Wolke vor den Mond, und in der plötzlichen Dunkelheit verkannte ich die Beschaffenheit des Ufers und versank an einer unbefestigten Stelle mit einem erschreckten Aufschrei im See.
    Wild um mich schlagend und prustend tauchte ich wieder auf und tat alles, um mich mit den Armen rudernd über Wasser zu halten, aber Tang und Algen hängten sich bei mir ein und zogen mich hinab …
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich am Ufer wie eine halb ersoffene Katze und Amadeus versuchte mir durch seinen Atem Leben einzuhauchen. Er war noch fast nackt und hatte mir das Kleid und das Korsett geöffnet und rieb meine entblößte Brust, was mir, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, nicht eben unangenehm war. Ich hustete, spie ein wenig Wasser von mir und sank danach mit ihm in einen Kuss, von dem ich wünschte, dass er niemals enden möge, weil er einherging mit einer Liebkosung meines Leibes, die mich zu allerhöchster Wonne und Lust bereit machte.
    Kein Wort fiel zwischen uns, das die Schönheit und gleichzeitige Tragik dieses Augenblicks gelöst hätte, die fortan unser Dasein bestimmen sollte.
    Unsere nackten Leiber im Mondlicht an glitzernden Wassern, der unwirkliche Schimmer des vom Ufer sanft aufsteigenden Nebels – das alles würde für immer uns gehören und sich in der Erinnerung verbinden mit dem gegenseitigen Umschlingen unserer nassen Leiber, den Küssen, die feucht und kühl, doch von einer Leidenschaft waren, die unsere Körper in Flammen setzte und endlich in die erlösende Vereinigung trieb.

    Wir lagen erschöpft auf unseren Mänteln im Gras. Amadeus schien zu schlafen. Ich richtete mich etwas auf, nur um sein Gesicht zu sehen. Die entspannte Ruhe darin zu genießen. Die Liebe hatte mich scharfsichtig gemacht, und so sah ich in der fast makellosen Schönheit seiner klassischen Züge den Abglanz seiner noch viel schöneren Seele. Einer Seele, die sich der meinen auf unerklärliche Weise auf das Engste angenähert hatte und mich in ihren liebenden Bann zwang.
    Ich strich ihm mit dem Mittelfinger meiner rechten Hand zart über die Stirn, fuhr die Konturen seiner Brauen, der Nase, der Wangenknochen und schließlich der Lippen ab. Fast ohne sie zu berühren – nur eben so nah, dass ich die Spannung spüren konnte, die wie ein elektrisierender Funke zwischen seiner und meiner Haut übersprang und mir über die Fingerspitze bis ins Herz durchschlug. Er war ein schöner Mann, aber obwohl er nur zwei Jahre älter war als Friedrich, waren seine Züge sehr viel markanter und männlicher. Straffer und von zwei willensstarken Falten an der Nasenwurzel gegliedert. Um die Augen herum jedochmilderten Lachfältchen diese Härte. Ein Schmiss lief über die linke Wange und wies ihn als Mitglied einer schlagenden Verbindung aus. Sein Haar war dunkel und voll.
    Ich hielt inne, sah seinen im Mondlicht seltsam bleich wirkenden Hals und legte meinen bebenden Finger auf die Schlagader. Sein Blut pulste ruhig und stark. Mehrmals strich ich mit dem Finger ganz leicht seinen Hals hinauf und hinunter und es kostete mich unendlich viel Kraft, nicht mehr zu tun. Er schien, so wehrlos und vom Liebesakt geschwächt, ein leichtes Opfer.
    In mir stritten menschliche Sehnsucht nach seiner Liebe und vampirische Gier nach seinem Blut.
    Ich drückte meinen geschlossenen Mund auf seinen Hals und versteinerte in diesem Kuss.
    Nur ihn mit meinen Lippen zu berühren sollte genügen und den

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