Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
»Er liebt Gertrud, Friedrich, anders als ich hat er sein Glück gefunden. Nun gönn es ihm.«
Es war dieser unbedachte Ausspruch, der ihn einenerneuten Versuch machen ließ, mich mit Amadeus von Treuburg-Sassen zusammenzubringen.
Und weil inzwischen mit Utz der Termin für meine Hochzeit verhandelt worden war und sie zum Jahreswechsel gefeiert werden sollte, gab ich ihm nach und beschloss, noch ein letztes klares Wort mit Amadeus zu reden, um mich auch selber endgültig von der verbotenen Sehnsucht nach ihm zu befreien.
Ich konnte und wollte die Ehe mit Utz nicht schließen, bevor ich Amadeus nicht vollständig aus meinem Herzen gerissen hatte, und ich wusste, dass ich dazu alleine nicht in der Lage war. Nur er selbst vermochte mir dabei zu helfen.
Noch am selben Abend fuhr in der Brüderstraße eine verhängte Kutsche vor, von deren Bock Friedrich herabsprang.
Er tat, als wolle er mich zu einer Spazierfahrt einladen, und obwohl das Vanderborg nicht recht gefiel, kam bei ihm doch kein Misstrauen auf und schon gar nicht der Gedanke, dass ich mich mit einem anderen Mann treffen könnte.
Kaum hatte ich die Kutsche bestiegen, schwang Friedrich sich wieder auf den Kutschersitz und ließ die Peitsche über den Köpfen der Pferde knallen. Er jagte ziemlich schnell aus der Stadt hinaus und an der Allee, die nach Potsdam führte, hielt er kurz an, um einen weiteren Fahrgast aufzunehmen.
Mein Herz schlug laut und unregelmäßig, als Amadeus zu mir stieg.
»So ist Friedrich also unser Postillon d’Amour«, scherzte er, da dieser die Kutsche erneut in Gang setzte.
Ich schwieg und so hockten wir steif und fremd einander gegenüber und schauten in die Dunkelheit hinaus, bisFriedrich die Kutsche hinter der Glienicker Brücke an den Jungfernsee lenkte, anhielt und den Schlag öffnete.
»Na, ihr Turteltauben«, sagte er und ich hätte ihm dafür die lose Zunge aus dem Mund reißen können.
Ich war über mich selbst so erbost, mich auf dieses wahnsinnige Unternehmen wider jedes bessere Wissen eingelassen zu haben, dass ich mich sehr zusammennehmen musste, um ihn und Amadeus meinen Zorn nicht sogleich spüren zu lassen.
Doch Amadeus war feinfühlig genug, zu merken, dass ich von der Situation überfordert war und Friedrich als eine zusätzliche Belastung empfand. So griff er nach meiner Hand und wandte sich mit mir zum Gehen.
»Wir spazieren am Ufer entlang zum Cecilienhof«, sagte er. »Bewache du derweil die Kutsche, Friedrich.« Er lachte. »Und falls die Zeit dir lang wird, Bester, dann lies ein gutes Buch.«
Friedrich knurrte in gespieltem Zorn und wir machten uns davon.
Es war eine selten laue Spätsommernacht. Die Grillen zirpten im Schilf, dessen Gürtel das Seeufer säumte, und als wir weit genug von der Straße entfernt waren, setzten wir uns an einer freien Stelle ans Ufer und schauten hinaus auf den See. Auf der gegenüberliegenden Seite lag die kleine Schlossanlage von Glienicke, genau an der Stelle, wo schon der große Kurfürst ein Jagdhaus und die erste Brücke über die Havel gebaut hatte.
»Prinz Carl hat es Anfang des vorigen Jahrhunderts durch den Baumeister Karl Friedrich Schinkel in einen italienischen Traum verwandeln lassen. Du hast sicher die goldenen Löwen des Springbrunnens von der Straße aus gesehen.«
Ich nickte und schaute weiter durch die Dunkelheit der Nacht hinüber zum anderen Ufer, wo offenbar eine Gesellschaft im Gange war, denn das Schlösschen war erleuchtet und von dem ebenfalls illuminierten Casino am Ufer drangen venezianische Musik und Gelächter herüber. Schemenhaft zu erkennende Menschen flanierten zwischen den Säulen der Pergola im Fackelschein und schienen sich prächtig zu amüsieren.
»Ich sollte eigentlich auch dort sein«, sagte Amadeus. »Ich habe eine Einladung von General von Trotha, er ist ein Freund meines Vaters und seit dem Boxeraufstand in China, den er so bravourös niedergeschlagen hat, ein Favorit des Kaisers.«
Er lächelte und fuhr in seiner üblichen leicht provokanten Art fort: »Wie wäre es? Wollen wir rasch hinüberschwimmen?«
Wie schon so oft hatte er es damit wieder einmal geschafft, mich zum Lachen zu bringen, und so antwortete ich Zustimmung heuchelnd: »Nur zu, Hauptsache, deinen Kriegshelden trifft nicht der Schlag, wenn wir triefend wie die Wasserleichen aus dem See steigen.«
»Eher schießt uns des Kaisers Leibgarde über den Haufen.«
»Nun, dann ist es wohl doch keine so gute Idee?«
Er schüttelte den Kopf. »Vom
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