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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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ich!«
    »Vielleicht wie im Märchen? Ich habe geschlafen, und du bist in meinen Träumen erschienen, und schließlich war meine Sehnsucht, mein Verlangen nach dir größer als die Macht des Schlafes, in dessen Erstarrung ich Jahrzehnte wie in einem Sarg gefangen war … nicht tot … doch lebendig nur in meinen Träumen. Ganz plötzlich warst du da und kamst mir immer näher. Es hielt mich nicht mehr in der Todesstarre … ich begann herumzuwandern … erst noch körperlos … aber bereits mit wachen Sinnen. Ich suchte nach dir … und entdeckte dich plötzlich am anderen Ufer des Sees.«
    Ich schluckte, denn ich erinnerte mich ebenfalls an diese Szene, an den Schatten, der mir vom Steg am gegenüberliegenden Ufer gewunken hatte, als ich mit Marc den Schilfgürtel überwunden und den ersten Blick auf den Blankensee geworfen hatte.
    »Was hast du damals getan?«, fragte ich.
    »Ich kehrte zurück in meinen versteinerten Körper, um zu erwachen. Ich wollte dir lebendig gegenübertreten, aber meine Kraft reichte nicht aus … Nur flüchtige Begegnungen waren mir vergönnt. Es dauerte noch viele Wochen … bis auch du wirklich bei mir warst … mich mit deinen Gedankenwie mit Händen gestreichelt und mir dein Herz geöffnet hast, damit ich fortan darin wohne. Da geschah das Wunder und ich konnte die Starre des Todesschlafes abstreifen und mich dir endlich in meiner menschlichen Gestalt nähern …« Er zog mich enger an sich. »Ich bin noch schwach«, sagte er mit leiser, rauer Stimme. »Aber jeder Kuss von dir schenkt mir neue Lebensenergie … Spürst du es nicht auch? Etwas Wunderbares geschieht mit uns … wir … du und ich … sind füreinander bestimmt … für alle Ewigkeit!«
    Ich merkte, wie ich mich unwillkürlich in seinen Armen versteifte. Bis hierher hatte ich mich ihm in einem besinnungslosen Glückstaumel hingegeben, einfach weil ich selig war, ihn wiederzusehen. Aber so anziehend ich ihn fand, so fasziniert ich von seiner geheimnisvollen Ausstrahlung war, das ging mir nun doch etwas zu schnell … und ehrlich gesagt … erschreckten mich seine Worte in ihrer Absolutheit. Ich fühlte mich auf einmal wie in einem Theaterstück und war mir nicht ganz sicher, ob es von einem guten Regisseur inszeniert war und ob ich die Rolle, die mir zugedacht war, wirklich spielen wollte. Und wenn … so wollte ich sie vielleicht doch ein wenig anders anlegen, möglicherweise moderner interpretieren …
    Strindberg vielleicht ? Das Leben ein Traum ?
    Ich hatte plötzlich das Gefühl, in etwas hineinzugeraten, das ich so nicht wollte. Zeit aufzuwachen, Louisa, sagte ich mir, und zwar ganz schnell!
    Und so durchbrach ich die lyrisch-dichterische Stimmung, indem ich den geheimnisvollen Fremden noch einmal ganz profan nach seinem Namen fragte.
    Wieder wich er aus.
    »Namen sind Schall und Rauch, Louisa. Wozu …?«
    »Um dich ansprechen zu können, um an dich nicht länger anonym denken zu müssen. Vielleicht, um in mein Tagebuch zu schreiben, wen ich heute geküsst habe! Dort, wo zurzeit nur Pünktchen stehen, möchte ich ihn einsetzen, damit ich zugleich mit ihm dein Bild vor Augen habe. Man gibt doch den Dingen und Menschen, die man wertschätzt, die man … liebt … einen Namen …«
    »Du könntest mich Liebster nennen oder Geliebter, was meinst du?«
    »Dein Name, jetzt! Oder ich will dich nie wiedersehen!«
    »Du bist eigensinnig und widerspenstig!«
    »Dann zähme mich, wie es Shakespeares Petruchio mit Katharina tat … aber erst, wenn ich dich gezähmt habe! Selbst ein Pferd, das man abrichtet, nennt man bei seinem Namen und nicht einfach Gaul! ›He, Gaul, steh! Brrrr, Gaul! Galopp, Schindmähre! Nun aber Trab, Vieh!‹ Gefällt dir das? Soll ich so mit dir umgehen?«
    Er schüttelte lachend den Kopf.
    »Das passt dir also nicht?«
    »Doch, doch … nur zu … Ich liebe Frauen mit Selbstbewusstsein und … Esprit.«
    »Ach, dann bin ich nicht die Erste?«
    »Wohl kaum! Sagte ich nicht, dass ich einige Jahrzehnte verschlafen habe? Davor habe ich natürlich auch einige Jahrzehnte gelebt !«
    Er verwirrte mich zunehmend, und nun hatte ich auch noch den Eindruck, dass er sich über mich lustig machte. Das ärgerte mich, denn ich hatte doch gerade geglaubt, dass ich die Oberhand gewonnen hätte. Natürlich wollte ich mir meine momentane Verunsicherung nicht anmerken lassen und versuchte sie zu überspielen. Wozu war ich schließlich Schauspielerin?
    »So«, sagte ich also mit leicht ironischem Unterton. »Gelebt hast

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