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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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bemüht leise. »Ich hatte mich doch wohl klar ausgedrückt. Ich will dich nicht sehen! Nie mehr!«
    »Schade.«
    Wir schwiegen beide einen Moment, in dem ich zu ihm nach unten blickte und er zu mir heraufschaute.
    »Könntest du nicht herunterkommen? Nur kurz … für eine Umarmung.«
    »Nein. Ich bin im Schlafanzug und ziehe mich jetzt nicht noch mal um«, lehnte ich kategorisch ab, und da ich mich ärgerte, weil ich mich doch schon wieder hinreißen ließ, mit ihm zu argumentieren, schickte ich gleich noch wütend hinterher: »Ich will nicht mir dir reden und ich komme auf gar keinen Fall zu dir runter! Kapier das endlich!«
    »Dann komme ich zu dir.« Und ehe ich noch bis drei zählen konnte, hockte er plötzlich auf der breiten Fensterbrüstung. Lässig ließ er die Beine baumeln.
    »Du bist verrückt«, sagte ich perplex.
    Aber er fasste mich unter das Kinn, zog meinen Kopf zu sich und küsste mich mitten auf den Mund. Die Balkonszene von Romeo und Julia schoss mir durch den Kopf, William Shakespeare auf vampirisch!
    »Du … du … bist wirklich verrückt«, wisperte ich völlig überrumpelt. »Vollkommen verrückt …«
    Mit raubtierhafter Geschmeidigkeit kletterte er in mein Zimmer und sah sich ungeniert darin um. Es war zwar kein Licht an, aber seine Augen schienen auch so alles zu sehen. Der diffuse Schimmer, der von der Laterne heraufdrang, genügte ihm offenbar völlig.
    »Du lebst bescheiden«, sagte er schließlich. »Das ist mir bei meinem ersten Besuch gar nicht so aufgefallen.«
    »Wie andere Studenten auch. Keiner meiner Mitbewohner schwimmt im Geld …«, ich stockte, »… ist im Geld geschwommen!« Mir kamen die Tränen.
    »Sie waren alle so froh, dass sie studieren konnten … Eswar ihnen so wichtig, etwas Sinnvolles aus ihrem Leben zu machen … und jetzt sind sie tot.«
    Mir versagte die Stimme, weil ich mich fragte, ob ihr Mörder tatsächlich direkt vor mir in meinem Zimmer stand und was ich nun mit ihm anfangen sollte. Die Rachegedanken, die ich mit Isabell eben noch geteilt hatte, stiegen in mir auf, und zusätzlich erfasste mich Wut über die Dreistigkeit, mit der er bei mir eingedrungen war. Auch als Vampir konnte er sich nicht alles herausnehmen. Schon gar nicht angesichts des schrecklichen Verdachts, unter dem er meiner Ansicht nach immer noch stand und der mir bereits wieder kalte Schauer über den Körper jagte. Aber natürlich wollte ich mir meine Angst vor ihm nicht anmerken lassen, und was immer es war, was er von mir wollte, ich beschloss es zu ignorieren.
    »Was treibt dich nach Berlin?«
    Er musterte mich mit einem sehr seltsamen Gesichtsausdruck, schien aber zu begreifen, dass ich wild entschlossen war, ihm nicht auf den Leim zugehen. Ich sah, wie langsam ein zynisches Lächeln in seine Mundwinkel und dann in seine Augenwinkel kroch.
    »Ich wollte einmal wieder komfortabel speisen«, sagte er provozierend.
    Schaudernd wich ich zurück, denn so deutlich hatte er mich noch nie mit der dunklen Seite seiner mystischen Natur konfrontiert, und das jetzt in dieser Situation zu sagen fand ich absolut makaber. Hatte er mit dem Mord an meinen Freunden noch nicht genug gekriegt? War seine Gier so unersättlich? Wollte er nun auch noch mich?
    »Irritiert es dich?«, fragte er, den mir zweifellos ins Gesicht geschriebenen Ekel ignorierend.
    Ich beschloss, mich nicht länger von ihm vorführen zulassen. »Nein, warum sollte es?«, erwiderte ich brüsk. »Jeder lebt, wie er muss, und ernährt sich seiner Natur gemäß. Aber man setzt sich auch nicht mit jedem an einen Tisch. Komm wieder, wenn du Vegetarier geworden bist!« Ich wies zum Fenster. »Wenn ich dann bitten dürfte. Ich möchte weiterschlafen. Ich habe morgen einen schweren Tag. Wir müssen eines deiner Opfer beerdigen! Leb wohl und guten Hunger.«
    Er lachte kurz und hart und war Sekunden später durch das offene Fenster gesprungen. Als ich es schloss, war er bereits verschwunden. Wie ich ihn in diesem Moment hasste!
     
    Ich fand nur schwer in den Schlaf zurück und hatte dann auch noch einen fürchterlichen Traum …
    Ich lief ruhelos durch die Straßen Berlins. Erst war mir nicht klar, warum ich das tat und wohin ich wollte, dann aber merkte ich, dass ich einen dunklen Schatten verfolgte, der Amadeus sehr ähnlich sah. Er eilte mit großer Geschwindigkeit durch die nächtliche Stadt und war immer nur zu sehen, wenn er durch den Lichtkegel einer Laterne huschte. Ich musste mich sehr anstrengen, um bei seinem Tempo mitzuhalten

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