Die dunkle Horde - Die Troll-Saga ; [5]
danken euch.«
Sie wusste nicht, ob sie die Worte tatsächlich ausgesprochen oder nur gedacht hatte, aber das war nicht wichtig. Diejenigen, an die sie gerichtet waren, würden sie vernehmen.
Dann trat sie zurück. Aus dem Schatten der Mauer und des Todes in die ersten Strahlen der Sonne, die ihre Haut wärmten. Um Haaresbreite war sie demselben Schicksal entgangen. Ein festerer Schlag, ein anderer Winkel, und sie würde dort liegen, den Blick in die andere Welt gerichtet. Sie schämte sich für ihre Freude. Dafür, dass sie lebte und andere nicht.
Eigentlich wollte sie beim Aufbruch helfen, sich in die Arbeit stürzen, doch der Boden schien wieder unter ihren Füßen zu wanken, und diesmal musste sie sich setzen. Um sie herum liefen Krieger hin und her, trugen Vorräte fort, schafften Holz heran. Jemand reichte ihr eine flache Schüssel mit einem erdig duftenden Brei, gemahlene Körner mit Wasser vermischt, und sie aß vorsichtig. Noch vor wenigen Jahren hätte sie nicht geglaubt, dass man an einem solchen Ort essen konnte, aber der Krieg hatte sie eines Besseren belehrt. Inständig hoffte sie, viele der Lektionen in Zukunft wieder vergessen zu können.
Als sie die Schüssel halb leer gegessen abstellte, hockte sich Narem zu ihr. Einige Momente lang blickte er sie nur an, und in seinen Augen konnte sie die Leere erkennen, die sie auch in sich selbst spürte. Dann lächelte er, und zum ersten Mal seit Langem erreichte sein Lächeln seine Augen.
»Es ist vorbei.«
Deilava atmete tief aus, als könne sie die Erinnerungen an die letzten vier Jahre mit der Luft aus sich herauspressen. Er hatte recht: es war vorbei. Sie würden nach Hause zurückkehren, zu Familie, Freunden, zum Stamm. Zu allem eben, wofür sie gekämpft hatten.
Mit neuer Kraft in ihrem Herzen erhob sich Deilava. Sie sah Narems besorgte Miene, aber die Schwäche war aus ihren Gliedmaßen verschwunden.
Einige Keibos hatten provisorische Gestelle gebaut, auf die all jene Verwundeten gelegt wurden, die nicht mehr allein laufen konnten. Dann schlangen sich die Krieger des Pferdevolks lange Lederriemen um die Brust und zogen sie hinter sich her.
Wie Deilava erwartet hatte, blieb der meiste Besitz der Zwerge zurück. Hier und da hatten sich einige Metallwaren genommen, Töpfe, Pfannen, einen gut gearbeiteten Dolch, mehr jedoch nicht. Sie selbst suchte ihren Bogen, ließ sich ein paar Pfeile geben und schob sie in den Köcher. Sie würde die Festung so verlassen, wie sie sie betreten hatte.
Wütende Stimmen erklangen aus einem der niedrigen Gebäude. Eine kleine Gruppe von Zwergen wurde aus der Tür geführt, umgeben von Keibos und Onoi. Man hatte ihnen ihre Rüstungen ausgezogen. Drei von ihnen trugen nun wenig mehr als eine Tunika aus rauem Stoff, die anderen hatten dazu verschiedene Kleidungsstücke aus dickem Leder an. Sie blinzelten in die Sonne, die Gesichter mit Dreck und Blut verschmiert. Fast taten sie Deilava leid, da tauchte Inisas Gesicht vor ihrem inneren Auge auf.
Ja, selbst als Gefangene wirkten die Zwergenkrieger noch gefährlich. Sie waren kleiner als Elfen, aber viel breiter, robust und stark, mit dicken, muskulösen Armen und breiten Schultern. Ihr ganzer Leib war gedrungen, kompakt, und für Deilava war es, als ob sie die Kraft viel größerer Wesen in ihren merkwürdigen kleinen Körpern bargen.
Die Gruppe wurde an ihr vorbeigeführt. Die meisten blickten zu Boden. Deilava fragte sich, was sie wohl empfanden. Erleichterung darüber, dass sie noch lebten? Scham? Angst? Hass?
Einer sah zu ihr auf. Er hatte einen sehr dunklen, fast schwarzen Bart, der wohl geflochten gewesen sein mochte, nun aber wirr abstand. Unter den dichten Brauen schauten dunkelbraune Augen hervor. Ihr Blick faszinierte Deilava, hielt sie gefangen. Sie konnte nicht in ihnen lesen, aber sie spürte eine seltsame Verbindung, ein Band über die endlos weite Kluft des Krieges und die Schlachtfelder hinweg.
»Bastarde«, murmelte ein Keibos neben ihr. Wie so oft bei seinem Volk, klangen seine Worte guttural. »Wir sollten ihnen die Kehle durchschneiden. Sie hätten mit uns nichts anderes getan, wenn sie gekonnt hätten.«
Er stapfte an ihr vorbei. Seine vier Beine arbeiteten schwer, denn er zog eine Trage mit einem bewusstlosen Onoi. Die Wunden des Verletzten waren versorgt worden, doch sie waren tief, und Deilava spürte den Tod in seiner Nähe lauern.
Sie sah ihm nach und fragte sich, ob der Keibos mit seiner Überlegung nicht recht hatte.
7
H ier trennen
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