Die dunkle Horde - Die Troll-Saga ; [5]
dem Erdboden befand, fühlte Deilava sich sicher. Der Ast war so schmal, dass sie ihn mit ihren Händen hätte umfassen können, und wippte unter den Schritten der drei Elfen, doch Deilava war ihr ganzes Leben auf Ästen gelaufen, war von Baum zu Baum gesprungen, hatte weite Strecken zurückgelegt, ohne jemals den Erdboden zu berühren.
Ihr Weg führte sie weiter hinab. Die Äste hier waren schon dicker, stabiler. Ihre raue Rinde fühlte sich gut und vertraut unter Deilavas Füßen an.
Ein großer Teil der Dorfbewohner hatte sich auf den untersten Plattformen versammelt. Dort wurde ebenfalls fleißig gearbeitet. Überall standen und saßen Elfen, gebeugt über Krüge und Schalen, und bereiteten Gemüse und Fleisch vor. Sie halfen einander, gingen sich gegenseitig zur Hand.
Es war eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen die Lichtung selbst genutzt wurde. Einige Elfen hatten Grassoden ausgestochen und beiseitegelegt und flache Gruben ausgehoben, in denen sie nun gut abgelagertes totes Holz stapelten. Die ersten Feuer brannten schon.
Zielstrebig lief Deilava zu ihrem Vater Soram, der mit einigen anderen einen gewaltigen Berg frischen Gemüses geschält, entkernt und in kleine Stücke geschnitten hatte. Er lächelte, als sie ihm den Mörser reichte und er den Duft der Paste einatmete.
»Da kann man das Ber’rala schon riechen«, stellte er zufrieden fest und reichte den Mörser weiter. »Ich wusste, dass du es gut machen würdest. Das hast du immer schon getan.«
Das Lob ihres Vaters freute Deilava; immerhin war er einer der besten Köche des Dorfes, weshalb er bei den größeren Gemeinschaftsessen meist das Kochen betreute. Sie setzte sich neben ihn und half mit den letzten Resten des Gemüses. Dann fasste sie mit an, als die gewaltigen Essensmengen auf die Lichtung hinabgetragen wurden, wo sich schon bald Fleisch und Gemüse stapelten.
Lange bevor die Sonne unterging, wurden die ersten Gerichte ins Feuer gegeben, große Fleischstücke, eingelegt in einen würzigen Kräutersud, gehüllt in dicke Blätter, die direkt in der Glut gegart wurden. Kleinere Stücke wurden auf Spieße gesteckt und von der Seite über das Feuer gehalten, und schon bald wehte ein Geruch von köstlichem Essen über die Lichtung. Direkt danach wurden auf die niedrigeren Feuer die Tonschalen mit den anderen Gerichten gestellt, jeweils mit Deckeln vor den Flammen geschützt und bis zum Rand mit Gemüse oder Eintöpfen gefüllt. Besonders das Ber’rala war sofort zu riechen.
Während sich einige um das Essen kümmerten, gingen die meisten zum Bach, darunter auch Deilava und Qeren, und wuschen sich in dem klaren Wasser. Die Kinder liefen zwischen ihnen umher, sprangen in das kühle Nass, bespritzten sich– und alle anderen– mit Wasser, lachten, spielten Jäger und Gejagte und machten generell viel Getöse. Es war friedlicher Lärm, eine Geräuschkulisse, die Deilava beruhigte.
Schließlich versammelten sich alle auf der Lichtung und begannen zu essen. Seit langer Zeit hatte Deilava nicht mehr so gut gespeist. Nach und nach wurden weitere Gerichte fertig, und sie kostete von jedem. Die Stimmung war gelöst, die ganze Sippe feierte die Heimkehr der über Jahre verlorenen Tochter.
Auch Deilava spürte, wie eine Last, ein Teil ihrer Trauer, von ihr abfiel. Sie scherzte mit den anderen und erzählte sogar einige Geschichten aus den letzten Jahren, wenngleich nur jene, bei denen sie sich wohlfühlte. Niemand bedrängte sie, keiner forderte mehr von ihr. Und so war es gut.
15
A m Himmel zeigte sich erst ein schmaler Streifen Helligkeit, als Karn zum ersten Mal ihm unbekannte Gerüche in der Luft wahrnahm. Der kalte, scharfe Wind von den Bergen hatte sich gelegt, und jetzt drang ein Hauch aus den Tälern herauf, der sie mit sich trug.
Von den Versammlungshöhlen war es ein weiter Weg gewesen, der Karn an diesen Ort geführt hatte. Als die Entscheidung, Israk zu folgen, gefallen war, hatten sich die Versammelten innerhalb kürzester Zeit organisiert und einen ersten Trupp gebildet, der in die Ebene voranziehen sollte und dem auch Karn angehörte.
Karn hielt inne und sah sich suchend um. Ein Stück weiter unten am Hang ragte ein Fels wie eine Faust aus dem mit Schnee bedeckten Geröll. Der Troll lief zu ihm hinab, untersuchte ihn und schob dann seine harten Klauen in den ersten Spalt. Geschmeidig zog er sich hoch und begann, den Felsen zu erklimmen. Es war keine schwierige Aufgabe. Der Stein war alt und verwittert, der Felsen kaum doppelt
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