Die dunkle Horde - Die Troll-Saga ; [5]
sagen konnte, was es war. Israk hatte recht: die Starken nahmen von den Schwachen. Die Jagd war nichts anderes. Und bei den Stämmen der Trolle herrschte Not. Es war vernünftig, die Höhlen zu verlassen und dort neue Beute zu suchen, wo es mehr als genug gab.
»Hauptsache, wir finden Fleisch für alle Trolle«, sprach Karn den Gedanken aus, aber auch er klang nicht ganz überzeugt.
»Hör zu.« Ruk beugte sich zu ihm hinüber. »Israk ist ein schlauer Kopf. Er weiß, was er tut. Da unten gibt es Nahrung im Überfluss. Schau dir an, was die hier in den paar Hütten gesammelt hatten!«
Die Geräusche, die von den plündernden Trollen zu ihnen drangen, unterstrichen seine Worte. Die anderen brachten alles, was sie fanden, auf den kleinen Platz zwischen den Hütten. Das Vieh hatten sie längst geschlachtet, und einige waren damit beschäftigt, die Kadaver zu zerteilen. Der Geruch von Fleisch und Blut drang verlockend zu Ruk herüber. »Aber Israk ist auch gerissen. Ich traue ihm nicht über den Weg.«
»Ja. Du traust allerdings niemandem, der nicht aus unserem Stamm ist.«
»Stimmt.« Wieder musste Ruk grinsen. »Ich sage ja nicht, dass er uns reinlegen will. Aber er hat seine eigenen Pläne, so viel ist klar. Sein Stamm, all diese jungen Jäger. Die ganzen Geschenke. Das ist kein Zufall.«
Karn stand auf, warf einen Blick um die Ecke der Hütte auf die anderen Trolle und schien etwas sagen zu wollen, aber in diesem Moment kam Israk zwischen den Gebäuden hindurch und sah Ruk an. »Hat es dich schlimm erwischt?«
Bevor er antwortete, rappelte Ruk sich auf. Seine Gliedmaßen fühlten sich steif an, und seine Bewegungen ließen die Wunde wieder stärker pochen, doch er ließ sich nichts anmerken. »Nur ein Pfeil.«
Israks Miene zeigte keine Gefühle. »Ein paar Pfeile, hier und da Schnitte und Beulen. Es hätte besser laufen können, aber wir sollten uns nicht beschweren.«
»Sie wussten, dass wir kommen«, mischte sich Karn ein. »Vermutlich meine Schuld. Sie hatten bestimmt meine Spuren entdeckt.«
»Oder den Streit gehört«, widersprach Ruk. »Oder uns kommen sehen. Wir waren nicht gerade vorsichtig. Was auch immer, es ist egal.«
Jetzt breitete sich ein schmales Lächeln auf Israks Zügen aus. »Dich trifft keine Schuld, Karn, da bin ich sicher. Manchmal bemerkt einen die Beute. Am Ende der Nacht zählt nur, dass wir sie erlegen.« Er wies mit einem Nicken des Kopfes zu dem Platz. »Es gibt frisches Fleisch. Kommt mit, schlagt euch die Wänste voll. Wir haben es uns verdient, uns die besten Stücke auszusuchen.«
Darin gab Ruk ihm recht, und der Schmerz in seiner Schulter bestärkte ihn noch in seiner Ansicht. Sie hatten sich ihre Beute redlich verdient.
18
O bwohl der Ast unter ihren nackten Füßen kaum breiter war als ihr Arm, fühlte Deilava sich sicher, als sie in die Hocke ging. Ihr Herz schlug schnell; sie war ein ganzes Stück gelaufen. Erst durch das Gewirr der Äste, dann weiter über den weichen Waldboden, dann wieder empor in die Wipfel, bis sie hier eine gute Position gefunden hatte. Sie atmete tief durch und wartete, bis die Kräfte nach der Anstrengung des Laufs in ihren Leib zurückkehrten.
Die Luft an diesem Ort war dick. Selbst hier oben im Baum schien nur wenig Sonne durch das dichte Blätterdach. Zwei Schmetterlinge tanzten in den verstreuten Strahlen, ihre roten und gelben Flügel waren fast so groß wie Deilavas Handflächen. Die alte, gefurchte Rinde des Baums fühlte sich gut unter ihren Füßen an, rau und doch einladend. Ameisen arbeiteten sich den Stamm hoch, in einer langen Reihe, emsig laufend, ihr fernes Ziel vor Augen.
Größere Tiere konnte Deilava nicht entdecken. Da waren nur Insekten und hier und da Vögel, die ihnen nachstellten. Ein leichter Wind ließ die Blätter rauschen, und von unten drang das Murmeln eines kleinen Baches empor.
Sie verlagerte ihr Gewicht, glitt von dem Ast, hielt sich nur mit einer Hand an ihm fest, schwang sich auf einen größeren Ast weiter unten– und dann immer so weiter, bis sie nur noch knapp ein Dutzend Schritt über dem Waldboden war. Jetzt konnte sie den Bach sehen, der zwischen den Baumstämmen dahinplätscherte.
Bedächtig nahm Deilava den Bogen von ihrem Rücken, löste das Seil, mit dem sie ihn festgebunden hatte, und begann, ihn zu spannen. Vor dem Krieg war dies mühsam gewesen, da sie gerade kräftig genug für den Bogen gewesen war. Nun fiel es ihr viel leichter.
Als die Sehne gespannt war, zog Deilava ein wenig an ihr
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