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Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)

Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)

Titel: Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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über die Wand, kühler Stein unter ihren Fingern, glatt und hart. Dann jedoch zog sie sie zurück und folgte einfach ihrem Instinkt.
    Sie merkte es sofort, als sie die große Höhle betrat. Da war ein plötzliches Gefühl von Weite, eine Veränderung der Luft, die Last der Felsen wich zurück, drückte nicht mehr so stark auf ihren Geist.
    Nicht weit von hier lag Narem. Sie konnte den Anblick vor ihrem inneren Auge sehen, sein schlanker Leib auf dem Boden, die Arme ausgebreitet, die Haare wild um seinen Kopf, vollgesogen mit seinem eigenen Blut. Doch es war nicht mehr Narem. Sein Geist hatte ihn verlassen, nur sein sterbliches Fleisch war geblieben. So schwer es ihr auch fiel, dies zu akzeptieren. Das, was ihn ausgemacht hatte, war gegangen. Ihr einziger Trost waren die Bilder, die der Weiße Bär ihr geschenkt hatte. Narem war von den Geistern willkommen geheißen worden.
    Sie war nicht wegen seines Körpers hierher zurückgekehrt, wohl aber seinetwegen. Sie hoffte, dass Karn sich um die Trolle kümmern konnte. Dann würde die Drohung eines langen Krieges mit den gewaltigen Wesen verschwinden. Aber es waren eben nicht nur Trolle, die den Frieden bedrohten.
    Die Dunkelheit um sie war undurchdringlich. Selbst in der dunkelsten Nacht im Wald gab es noch einen Hauch von Licht, eine Ahnung der Umgebung. Nicht in dieser Höhle.
    Deilava fühlte sich, als wäre die Dunkelheit lebendig, als würde sie an ihrem Geist zerren, in ihre Gedanken eindringen. Es war so still, dass sie nur ihren eigenen Herzschlag hörte, den eigenen Atem. Es drohte sie zu überwältigen.
    »Ich bin hier«, flüsterte sie und schloss die Augen. Ihre Worte verhallten.
    Sie öffnete ihren Geist, sandte ihre Gedanken hinaus in die Welt der Geister. Es war ein Ruf, wie sie ihn noch nie versucht hatte.
    »Du hast ihn auserwählt«, sagte sie. »Du hast mich um Hilfe gebeten. Nun fordere ich dafür einen Preis.«
    Es half ihr, ihre Gedanken in Worte zu fassen, auch wenn sie wusste, dass der Weiße Bär ihre Sprache nicht verstehen konnte. Wohl aber ihre Intention, ihre Gefühle, ihre Wünsche und Sorgen.
    Als sie die Augen öffnete, erwartete sie, ein Licht zu sehen, doch sie wurde enttäuscht. Um sie war nur Dunkelheit.
    »Hilf mir!«
    Keine Antwort.
    Ich bin bereit, den Preis dafür zu zahlen , erklärte sie stumm. Ich weiß, was es mich kosten wird, und ich tue es willig.
    Ein Geräusch in der Ferne. Vielleicht ein Brüllen. Es war kaum wahrnehmbar, und fast glaubte Deilava, dass sie es sich nur eingebildet hatte. Doch dann spürte sie es.
    Macht umwehte sie, durchdrang sie. Wie ein gewaltiger Atemstoß. Ein Ton, so tief und rein, dass sie ihn im ganzen Körper spüren konnte.
    Um sie herum entfaltete sich die Höhlenwelt, verlor ihre Geheimnisse und damit die Dunkelheit ihren Schrecken. Es war, als ob sich eine Blüte öffnete und man mit einem Mal das Wunder sah, das die ganze Zeit in der Knospe verborgen gewesen war. Karn hatte recht: dies war die Heimat des Weißen Bären, und er präsentierte sie ihr ganz und gar.
    Es war ihrem Geist unmöglich, all das aufzunehmen, was auf sie einströmte. Endlose Tunnel, Berge bis in die Wolken und höher, ein ganzes Land in einem Augenblick. Sie konzentrierte sich auf ihre direkte Umgebung, auf Fels und Stein und all die kleinen Ritzen und Spalten, die Schächte, Gänge, Höhlen um sie herum. Die Bilder verschwanden so schnell, wie sie kamen, glitten durch ihren Geist wie silbrige Fische durch einen Bach. Doch anders als bei Karn war dies nicht ihr erster Kontakt mit der Welt der Geister, und Deilava wusste, wonach sie suchte.
    Und sie entdeckte es in weit geringerer Entfernung, als sie gedacht hatte.
    Ohne zu zögern, lief sie los. Nach einigen Schritten schloss sie die nutzlosen Augen und orientierte sich nur an dem, was ihr Geist ihr zeigte. Bei jedem Fußtritt wusste sie bereits, wie der Fels sich unter ihren Sohlen anfühlen würde, wohin der nächste gehen musste.
    Ein niedriger Tunnel öffnete sich vor ihr, und Deilava duckte sich hinein. Sie folgte ihm, kannte jede kleine Biegung, jede Abzweigung, ja, jeden Stein, der auf dem unebenen Boden lag. Sie hätte nie geglaubt, dass sie dieses Gefühl außerhalb ihrer Heimat haben könnte.
    Ihr Weg führte sie zu einem Schacht, in den sie einfach sprang, denn sie wusste, er war nicht tief und öffnete sich unten zu einer kleinen, länglichen Höhle, an deren schmalem Ende ein in den Fels getriebener Gang auf sie wartete. Sie kannte den Gang, wusste aber auch,

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