Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)
gewalzt.
Vor sich sah er eine Regenfront, einen dichten grauen Schleier, der vom Himmel auf den Boden hing. Das Grau verdeckte die Farben der Welt dahinter, hüllte sie ein, machte sie dunkel und unansehnlich. Als die ersten Tropfen auf ihn fielen, genoss er ihre sanfte Berührung, die Kühle, die sie mit sich brachten.
Der Fluss schlängelte sich zwischen flachen Hügeln hindurch, durch Täler, die er sich selbst gegraben hatte. In einem davon, verborgen vor neugierigen Blicken, umgeben von einem kleinen, aber dichten Wald, lag die Stadt der Elfen. Ob es diese war, in der Israk gefangen gehalten worden war? Eigentlich war es egal, doch Karn versuchte immer noch, die Gründe des Trolls zu verstehen.
In seiner Erinnerung war die Stadt von einer dicken Mauer umgeben, zu hoch, um sie zu erklimmen, selbst für Trolle. Sie mussten die Horde nicht ewig aufhalten, nur lange genug, dass Karn sie erreichen konnte. Die Palisade der Eleitam war kein Hindernis gewesen, die festen Mauern der Elfen mussten es einfach sein.
Doch dann sah Karn dicken Rauch über den fernen Bäumen, und die Hoffnung erstarb in seinem Herzen. Er blieb stehen, betrachtete die Wolke, die schwarz und bedrohlich in der Luft hing, sich ständig vergrößernd, verändernd. Dann rannte er weiter.
Alles war, wie der Geist des Flusses es ihm offenbart hatte. Nur dass die Trolle in die Stadt eingefallen waren. Wo vorher Kuppeln und kleine Türme waren, stieg nun der dunkle Rauch auf. Regen und Asche hatten den hellen Stein dunkel gefärbt, als ob die Stadt in Trauer versunken sei.
Das letzte Stück des Weges ging Karn langsamer, als scheute er vor dem zurück, was er bei seiner Ankunft in der Stadt vorfinden würde. Er erreichte die Mauer, die sich über ihm erhob. Sie hatte ihre Bewohner nicht geschützt. Das Tor war zersplittert, das dicke Holz gebrochen. Dahinter bot sich ihm der Anblick, den er gefürchtet hatte.
Tote lagen in den Straßen, Trolle und Elfen, gerade noch erbitterte Feinde, jetzt im Tode vereint. Dazu Dinge, achtlos aus den Häusern geworfen, zerbrochen, zertrampelt.
Der Regen wusch langsam das Blut von den Steinen. Es sammelte sich in schmalen Rinnen an beiden Seiten der Straße, dunkle Flüssigkeit, Elfenblut, Trollblut. Benommen schritt Karn durch die Straßen, fürchtete bei jedem toten Troll, auf den sein Blick fiel, ein bekanntes Gesicht zu sehen.
Dabei waren überall noch lebendige Trolle unterwegs. Karn schüttelte den Kopf, versuchte, seine Gedanken zu befreien.
»Akkens Stamm?« Er ging von einem Troll zum nächsten. »Weißt du, wo Akkens Stamm ist?«
Nach vielen fruchtlosen Versuchen wies ihm endlich jemand den Weg, deutete mit einem mürrischen Knurren in eine kleinere Straße und ging weiter, einen ganzen Arm voll totem Federvieh vor sich hertragend.
Karn folgte dem Hinweis und fand die Jäger seines Stammes auf einem kleinen Platz, wo sie sich von den Strapazen des Angriffs erholten.
Ksisa war die Erste, die ihn erkannte. Ihre Kinnlade fiel herab, sie blinzelte zweimal. Breg bemerkte ihre Reaktion, folgte ihrem Blick.
»Ich will verdammt sein!«
Sein Aufschrei zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Ruk saß neben ihnen, den Rücken an einen Brunnen gelehnt, die Augen geschlossen. Er schreckte hoch, blickte sich verwirrt um.
Als sich auf seinem Gesicht erst ein ungläubiges Staunen und dann eine gewaltige Freude zeigte, musste Karn breit grinsen.
»Karn!«
Ruk sprang auf, stürmte auf ihn zu. Sein Leib wies einige Verletzungen auf, aber das schien ihn nicht zu stören. Er packte Karn, schloss ihn in seine Arme, hob ihn empor. Die Umarmung war so fest, dass sie Karn alle Luft aus dem Leib drückte.
»Halt, du bringst mich ja um«, protestierte er mit einem Lachen, in das alle einstimmten.
»Das sollte ich auch! Einfach tot zu sein! Was hast du dir dabei gedacht?«
Karn wurde ernst. Ruk sah sein Lächeln ersterben und ließ ihn runter. Misstrauisch blickte Karn sich um, aber es waren nur Trolle aus ihrem Stamm in der Nähe.
»Ich bringe schlechte Nachrichten«, erklärte er leise. »Sehr schlechte Nachrichten. Alles, was wir tun, ist auf Lügen gebaut.«
Ksisa schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht.«
Gerade wollte Karn von Israks Verrat berichten, da erklang eine laute Stimme: »Karn? Das kann doch nicht wahr sein!«
Akken betrat den Platz. Er war ebenso verwirrt wie die anderen Trolle, aber bei ihm wich das Erstaunen keiner Freude.
»Gut, dass du da bist. Wir müssen uns besprechen«, erklärte Karn
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