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Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)

Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)

Titel: Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Sehne gespannt war, zog Deilava ein wenig an ihr und nickte zufrieden, da sie den vertrauten Widerstand spürte. In dem schmalen Köcher auf ihrem Rücken hatte sie nur fünf Pfeile, aber sie erwartete nicht, mehr als einen zu benötigen. Es dauerte einen Moment, den festgezurrten Pfeil zu lösen und die anderen wieder zusammenzuschnüren. Der Köcher war nicht für den schnellen Einsatz gedacht, sondern nur geeignet, Pfeile lange sicher zu transportieren.
    So hockte Deilava auf dem Ast, den Bogen in der einen Hand, den Pfeil locker in der anderen, und wartete. Geduld, das wusste sie, war die Tugend der Jägerin.
    Nach wenigen Herzschlägen öffneten sich ihre Sinne allen Wahrnehmungen. Um sie herum war Leben, unendlich viel Leben, vieles davon winzig klein, anderes größer und verborgen. Sie spürte den Lebensfluss des Baumes, nahm seinen Atem wahr, seinen Durst, den Wind in seinen Blättern. Sie verschmolz mit ihm, als sein Geist den ihren akzeptierte.
    Sie bewegte sich nicht, als ein Käfer auf ihrer Hand landete und langsam über ihre Haut krabbelte. Nicht einmal, als eine große Spinne über ihren Fuß lief, zuckte sie. Vögel landeten neben ihr, zwitscherten, flogen wieder davon. Die Tiere bemerkten ihre Anwesenheit nicht. Deilava war für sie ein Teil des Waldes.
    Ein junger Waldhirsch trat aus dem Unterholz, blieb jedoch fünf Schritt vom Bach entfernt stehen. Seine Ohren zuckten, und er schnupperte vorsichtig. Er ahnte, dass dieser Ort gefährlich war. Doch seine Sinne entdeckten nichts, was ihn beunruhigte, und so ging er langsam zum klar sprudelnden Wasser und senkte sein Haupt. Sein glänzendes rotbraunes Fell zeigte, dass er gesund war. Er mochte ihr bis zur Brust reichen. Deilava schätzte, dass er sieben oder acht Sommer gesehen hatte.
    Deilava verharrte ohne eine Regung. Sie betrachtete den Hirsch, achtete aber auch auf Anzeichen weiterer Tiere. Erst als sie sicher sein konnte, dass er allein gekommen war, bewegte sie sich. Dabei war sie so langsam, als wären ihre Glieder aus dem alten Holz des Baumes.
    Geschmeidig legte sie den Pfeil auf die Sehne und zog sie, schon während sie den Bogen hob, zurück. Es gab keinen Moment des Innehaltens, kein Zögern. Der Pfeil schoss von der Sehne und bohrte sich einen Herzschlag später in die Brust des Hirsches. Das Tier erzitterte, machte einen ungelenken Schritt, taumelte zur Seite, brach zusammen.
    Sofort sprang Deilava hinab, zunächst auf einen Ast, dann auf den Waldboden. Sie federte ab, hielt inne. Alle Geräusche im Wald waren verstummt, nur das mühsame Röcheln des Hirsches war noch zu hören.
    Es fiel ihr erstaunlich schwer, die letzten Schritte bis zu dem sterbenden Tier zurückzulegen. Ihr Schuss war gut gewesen, ein sauberer Treffer. Noch bevor sie den Hirsch erreichte, erstarb sein Atem, und sein Geist verließ ihn. Deilava kniete sich neben ihn, legte die Hand auf sein warmes Fell und dankte den Geistern für die Beute. Sie wusste, dass die Geister ihr dieses Jagdglück gewährt hatten; damit lag eine große Verantwortung auf ihren Schultern. Der Hirsch gab ihr und ihrer Sippe Fleisch. Es war ein großes Geschenk, ein wichtiges Geschenk, und es galt, ihn dafür zu ehren.
    Deilava schloss die Augen und murmelte die alten Formeln des Dankes, die ihr ganz natürlich wieder in den Sinn kamen. Als sie noch jung gewesen war, hatte sie stets befürchtet, dass sie Fehler machen würde, die Worte vergessen oder falsch sagen, aber jetzt wusste sie, dass dies nicht geschah. Und selbst wenn, in ihrem Innersten ahnte sie, dass die Geister nicht auf Worte achteten, sondern auf Taten, auf Gefühle, auf die Wahrheit.
    Erst als sie alles gesagt und allen Dank ausgesprochen hatte, erhob sie sich und legte den Kopf in den Nacken. Sie ignorierte den Geruch des Blutes, der ihr in die Nase stieg, unterdrückte die Erinnerungen, die damit in ihr erwachten. Ihr Ruf war ein lautes, schrilles Trillern. Nach einigen Herzschlägen kam von ihrer Rechten eine Antwort, dann eine von weiter weg.
    Zufrieden kniete sich Deilava neben ihre Beute. Zuerst zog sie den Pfeil aus der Wunde, dann begann sie, die Beine des Hirsches mit einem festen Seil zusammenzubinden.
    Als sie mit dieser Arbeit fertig war, sprang Qeren neben ihr zu Boden. Er lächelte beim Anblick des Hirsches und nickte erfreut. »Du hast als Erste Beute gemacht, und das auf deiner ersten Jagd nach der Rückkehr. Ich hätte es mir denken können.«
    »Du beschämst mich. Ihr habt mir die beste Stelle gelassen,

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