Die dunkle Prophezeiung des Pan
ich. Anna hatte den kleinen
Jacob, Jeremy musste für beide sorgen. Und Mum für mich.
Ich musste für niemanden sorgen. Ich war überflüssig.
Natürlich ich.
»Nur
zweihundert Pfund für die Anzahlung. Um ihn zufrieden zu
stellen.« Sein Tonfall war flehend. »Dann fällt mir
schon was ein.«
»Geh
zur Polizei, Philip«, sagte ich endlich.
»Das
kann ich nicht! Er behauptet, er hat dort gute Freunde, die ihn
darüber informieren, wenn ich auftauche.« Philip schnäuzte
sich. »Hör mal, Felicity. Kannst du mir das Geld leihen?
Du hast doch für dein Studium was auf die Seite gelegt.«
»Mum
hat damit das Finanzamt bezahlt. Ich bin total blank«, sagte
ich kalt. Nie hatte ich sie mehr gehasst als in diesem Moment.
»Scheiße«,
hauchte Philip am anderen Ende der Leitung.
Lange
sprach keiner von uns ein Wort. Endlich sammelte sich Philip wieder.
»Pass auf dich auf, ja?« Dann legte er auf.
Ich
starrte sprachlos geradeaus, ohne etwas wahrzunehmen. Danke, Philip.
Das half mir enorm. Philip hatte tatsächlich geweint, sonst
hätte ich gesagt, es war ein schlechter Scherz von ihm. Wie
damals, als wir gerade nach London gezogen waren und er mich in den
Keller gelockt hatte – und dann dort für zwei Stunden
einsperrte.
Was
sollte ich tun? Wo konnte ich auf die Schnelle zweihundert Pfund
auftreiben? Sollte ich Mum bitten? Aber Mum hatte selber nichts. Ich
hatte gestern wieder ein paar Rechnungen auf dem Küchentisch
liegen sehen.
Ich
musste mir etwas einfallen lassen.
Oder
untertauchen.
Eine
Stunde später - ich saß gerade vor Toast, Käse und
Marmelade meldete mein Handy den Eingang einer SMS. Lees
umwerfendes Lächeln strahlte mich an. Wann hatte er das denn
eingestellt? Und wie? Mein Handy hatte nicht mal eine Fotofunktion.
Seine Elfenmagie wirkte anscheinend auch auf altmodische
elektronische Geräte. Ich grinste und öffnete die
Nachricht.
National
Gallery sucht Aushilfskräfte ,
las ich dort.
Das
klang interessant. Ich hatte gehört, die suchten ständig
jemanden für die Beaufsichtigung der einzelnen Räume, die
Garderobe oder das Café und den Souvenir-Shop.
Allemal
besser, als in einem Pub zu kellnern. Vor allem, in einem Pub, in dem
das Trinkgeld gänzlich entfiel. Ich räumte den Rest Käse
in den Kühlschrank und packte das Brot weg. Gerade als ich die
Krümel zusammenfegen wollte, tauchte Mum in der Küchentür
auf.
»Felicity,
ich gehe jetzt in den Pub.« Sie hatte ihre Haare sorgfältig
frisiert, ein wenig Make-up aufgetragen und ihre gute Bluse gebügelt.
»Ist
was Besonderes?«, fragte ich überrascht.
»Nein,
wieso?« Sie kramte in ihrer Handtasche.
»Du
siehst so hübsch aus.«
»Oh,
heute Abend ist der Verein der Kaninchenzüchter wieder da und
ich möchte später nicht ganz so abgehetzt aussehen. Also
beuge ich vor.«
Falls
sie versuchte mir damit ein schlechtes Gewissen einzureden – es
funktionierte. Ich holte tief Luft. In meinem Gehirn rivalisierten
der Drang zu helfen und der Frust über ihren Verrat. Konnte ich
meine Mutter im Stich lassen? Sie arbeitete hart fürs Überleben.
Eine bezahlte Arbeitskraft konnte sie sich nicht leisten. Der Pub war
ihr Leben. Ohne mich würde …
Mein
Handy klingelte erneut.
»Mum
…« Sie sah auf. Ihre warmen, braunen Augen leuchteten.
Das Handy klingelte weiter. Lees Gesicht strahlte über das ganze
Display. Was zum Teufel …?
»Ja,
Felicity?« Mum sah mich erwartungsvoll an.
Der
Klingelton nervte. Ich schloss einen Moment die Augen. »Sekunde,
Mum.« Ich drückte die grüne Taste und fauchte. »Was
willst du?«
»Untersteh
dich nachzugeben.«
Perplex
starrte ich auf das Display, als könnte ich ihm damit in die
Augen sehen. Mir ging auf, dass es nur ein Foto war. Ich hielt das
Handy wieder ans Ohr.
»Felicity,
du wirst doch deiner Mutter nicht aushelfen, nachdem sie dir so weh
getan hat?« Lee klang wütend.
»Woher
…?«
»In
der National Gallery bezahlen sie zehn Pfund die Stunde. Und du
bekommst die Arbeitskleidung gestellt. Du arbeitest höchstens
freitags bis halb zehn ansonsten ist um sechs Uhr Feierabend. Du
wärst sogar für den Französischkurs noch immer früh
genug fertig.«
Ich
sprang auf und rannte an Mum vorbei in mein Zimmer.
»Woher
weißt du, was hier gerade vorgeht?«, zischte ich und
tastete mit der freien Hand sämtliche Taschen an mir ab.
»Ich
habe dir keine Wanze untergejubelt, wenn du das meinst«, sagte
Lee und klang beleidigt.
»Wieso
weißt du dann davon?«
Er
zögerte und ich wusste, er suchte
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