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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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war es gewohnt, die
Vorgänge um sich herum immerhin begreifen zu können. Das war jetzt nicht mehr
so leicht, seitdem Naenn ihn aus dem Kuellener Schlummer aufgeweckt hatte.
    Mit einem Mal
erschienen ihm Zembe, Hallsass, Daubs und die anderen in der Höhle angesichts
der Unwägbarkeiten hier draußen beinahe als Freunde. Er nahm dem Toten seinen
Schild ab und hastete mit beiden Schilden zurück zum Gittertor.
    Â»Hier ist dein Schild
zurück, wie versprochen.« Er legte den Schild auf den Boden, das Gittertor hob
sich eine Handbreit, Rodraeg schob den Schild mit dem Fuß drunter durch, und
Zembe nahm ihn auf der anderen Seite in Empfang.
    Â»Wie sieht’s aus?«
fragte sie ihn.
    Â»Ich habe nicht die
leiseste Ahnung. Der Kruhnskrieger, der Alarm geschlagen hat, ist erwürgt
worden. Sagt Euch das was?«
    Â»Erwürgt. Wir hatten
mal einen Einsatz in der Nähe von Skerb. Aus dem Regenwald dort kommen Leute,
die mit Würgeschnüren kämpfen. Dunkle Gestalten.«
    Â»Dunkelhäutig?«
    Â»Ja.«
    Â»Das paßt. Ihr habt
viele Feinde, wahrscheinlich überall auf dem Kontinent. Dieses Massaker hier
hat womöglich nichts mit der Schwarzwachsquelle zu tun, sondern einzig und
allein mit euch Kruhnskriegern.«
    Â»Das glaube ich nicht.«
    Â»Glaubt, was Ihr wollt.
Ich jedenfalls werde versuchen, Euch und uns heil hier rauszubringen.«
    Rodraeg wandte sich ab
und ging wieder an den Pferden vorbei. Es fiel ihm schwer, Zembe anzulügen und
ihr dabei ins Gesicht zu sehen, aber es ging nicht anders, er mußte die
Kruhnskriegerin verraten, denn immerhin hielt sie Bestar, Hellas und Migal als
Geiseln, und er erachtete es als seine Aufgabe, das Mammut aus dem Abgrund zu
holen.
    Jetzt hatte er zum
ersten Mal einen Anhaltspunkt, wer die Angreifer sein könnten. Nicht Vermummte,
sondern Dunkelhäutige aus dem südwestlichen Regenwald. Timbares Kampftruppe.
Das wäre peinlich, wenn ausgerechnet sie es waren, aber dennoch hochwillkommen.
    Da er nicht laut rufen
konnte, ohne sich und Timbare bei Zembe zu verraten, murmelte Rodraeg also den
Namen des schwarzen Unabhängigkeitskämpfers leise vor sich hin, während er
Richtung Blockhütte ging – in der Hoffnung, derjenige, der sich an ihn heranschlich,
um ihn zu erwürgen, würde den Namen rechtzeitig erkennen.
    Â»Timbaretimbaretimbaretimbaretimbaretimbare.«
Wie die heidnischere Form eines Gebetes kam ihm das vor, wie ein
Meditationsgesang, ein Ritual.
    Schließlich löste sich
vom Dach der Blockhütte ein Schatten, raste durch die Luft auf Rodraeg zu,
berührte ihn am hochgerissenen Schild und warf ihn zu Boden. Bevor Rodraeg nur
irgend etwas tun oder sagen konnte, warf sich der Angreifer schon auf ihn,
drückte ihm zwei gezahnte Sicheln an die Kehle und hauchte mit weiblicher
Stimme: »Woher kennst du diesen Namen?«
    Rodraeg stieß unter
einem nicht zurückzuhaltenden Hustenanfall hervor: »Ich bin Timbare einmal
begegnet, in einem Wirtshaus in Warchaim. Ich hätte ihn gerne als Mitstreiter
gehabt, aber er streitet lieber ohne mich.«
    Â»Dann bist du Delbane.«
    Â»Ja.« Rodraeg hustete
immer noch. Auch das war ihm peinlich.
    Die Frau stieg von ihm
herunter. »Komm mit in die Hütte.«
    Rodraeg blieb liegen.
»Das ist nicht so einfach. Wir werden vom Gittertor aus beobachtet. Wenn die da
drinnen den Eindruck bekommen, daß wir gemeinsame Sache machen, wird es mir
nicht gelingen, euch in die Höhle zu bringen.«
    Die Frau mit den
Sicheln dachte nach. Sie war schlank und groß, ihr Körper mit schwarzen Tüchern
eng umwickelt. Ihr Gesicht war bis auf die Augen ebenfalls schwarz vermummt,
aber die Augen schimmerten grünlich, und die Haut um die Augen war heller als
Rodraegs. »Dann greif mich an. Du wirst mich kämpfend in die Hütte
zurückdrängen.«
    Rodraeg nickte.
»Versuchen wir’s.« Er sprang auf und warf sich gegen die Frau. In inniger
Umarmung taumelten sie, die Frau rückwärts, Rodraeg vorwärts, gegen die
geborstene Blockhüttentür. Die Tür gab nach und beide purzelten übereinander
ins Innere. Rodraeg verlor beinahe vollkommen die Orientierung. Hauptsächlich
lag das am Geruch dieser Frau.
    In der Hütte brannte
eine Lache ausgelaufenen Lampenöls auf dem Hauptschreibtisch und verbreitete
einen flachen, bläulichen Schimmer. Von Deterio oder Tugri war nichts zu sehen,
aber eine zweite

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