Die dunkle Quelle
und herrischen Handbewegungen wies Zembe ihre vier Männer an,
die groÃe Kurbelrolle rechts vom Tor zu besetzen.
»Wir werden das Tor
nicht ganz hochziehen, damit keiner von denen hier reinkommt«, erläuterte die
Kruhnskriegerin. »Du schlüpfst unten durch, sobald wir es drei oder vier
Handbreit hoch haben.«
Rodraeg betrachtete die
Spitzen, die das Metallgitter unten hatte. »Verstanden. Euren Schild könnte ich
noch gebrauchen.«
»Das hättest du wohl
gerne? Ich gebe dir doch nicht meinen Schild!«
Rodraeg seufzte.
»Sobald ich am ersten eurer Leichname angekommen bin, nehme ich mir seinen und
bringe Euren zurück. Aber unser ganzer Plan hat keinen Sinn, wenn ich schon
einen Schritt vor dem Tor von einem Speer durchbohrt werde.«
Zembe kniff die Lippen
zusammen. »Also gut. Aber ich will ihn wiederhaben!«
»Ihr bekommt ihn
zurück, sobald es mir möglich ist. Versprochen.«
Sie drückte ihm ihren
Rundschild mit dem aufgemalten Pferdeschädel in die Hand. Rodraeg wog ihn und
schnallte ihn sich dann an den linken Unterarm.
»Fertig?« fragte Zembe.
»Fertig«, kam es von
Rodraeg und den Söldnern an der Kurbel. Bestars Kette klirrte, als er sich so
weit wie möglich vorwagte, um besser sehen zu können. Das Schwarzwachs brodelte
und warf erste Tropfen hinauf in den diesigen Feuerschein. Ganz weit hinten
ächzte der verwundete Arbeiter. Von drauÃen kam kein Laut.
»Los!«
Die Söldner legten sich
ins Zeug, die Ketten spannten sich, das Tor zitterte und fuhr ruckend in die
Höhe. Rodraeg ging in die Knie, streckte den Schildarm vor und tauchte unter
den Spitzen durch, sobald genügend Platz war. Sofort rauschte hinter ihm das
Tor wieder hinab und schlug krachend auf. Rodraeg kauerte hinter dem Schild und
versuchte, so viel Sinneseindrücke wie möglich aufzunehmen, aber auÃer den
schnaubenden Bewegungen der Pferde, die, vom Tor erschreckt, zur abgelegenen
Seite ihrer Koppel liefen, war alles totenstill. Es waren nur noch vier Pferde.
Rodraeg atmete durch
und richtete sich langsam auf. Erst jetzt überfiel ihn die Furcht. Drinnen in
der Höhle war ihm jede Veränderung seiner Situation als Verbesserung
erschienen, aber jetzt fühlte er sich plötzlich schutzlos und allein, der Nacht
und den Bestien des Kontinents ausgesetzt.
Umzingelt von
Finsternis. Vereinzelte Fackeln blakten zwar im Tal, aber sie wirkten bleich und
verzweifelt angesichts der Ãbermacht des Dunkels. Tote lagen herum. Die Pferde
waren panisch, verdrehten die Augen, wollten weg. Teile des Menschenstalles
lagen in Trümmern. Auch dort wieder Leichen. Im Schlaf ermordet? Die Tür zur
Blockhütte, frisch eingesetzt, nachdem Bestar sie vor einundvierzig Tagen aus
den Angeln gebrochen hatte, war eingetreten und hing schief. Alles wirkte
zerstört.
Ein furchtbarer Gedanke
keimte in Rodraeg. Was, wenn die vermummten Schatten Affenmenschen waren? Hatte
der Feldzug der Königin, der einen ganzen Landstrich verheerte, die
Affenmenschen zu einem Gegenangriff verleitet? Waren sie hier, weil dieses Tal
im Kriegsdienst der Königin stand? Oder weil man hier auch eine Katastrophe
auslösen, einen Landstrich zerstören konnte? Vergeltung und Rache?
Aber das konnte
eigentlich nicht sein. Terrek war viel zu weit entfernt von der Felsenwüste der
Affenmenschen, mehr als zwanzig Tagesreisen. Zwar auf der selben östlichen
Seite des Kontinents, aber dennoch muÃte man von Norden aus mehr als die Hälfte
des Landes durchqueren, um hierherzugelangen. Das konnten die Affenmenschen
nicht fertigbringen, ohne daà sie schon vorher entdeckt und aufgerieben wurden.
Dennoch: Was für
Menschen konnten so wüten?
Das
Deng-dengdeng-dengdeng, das plötzlich hinter ihm losdröhnte, rüttelte Rodraeg
aus seinen Gedanken und schickte ihn vorwärts. Geduckt pirschte er sich zu
einem Kruhnskrieger, der unter dem Alarm-Eisen in seinem Blut lag. Er war
wenigstens nicht zerrissen worden, sondern erdrosselt, sein Hals zeigte die
gräÃlichen Spuren eines Drahtes oder einer Würgeschlinge. Wer konnte, trotz
Speer, trotz Schild, nahe genug an einen Kruhnskrieger herankommen, um ihn zu
erwürgen? Ein anderer Kruhnskrieger? Hatten die Pferdefresser untereinander
gewütet?
Waren die Speere ins
Höhleninnere doch von ihnen geschleudert worden? Rodraeg konnte sich keinen
Reim darauf machen, und das schwächte ihn zusätzlich. Er
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