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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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werden sie vielleicht mißtrauisch und machen nicht auf.«
    Onouk nickte und nahm
den Anderthalbhänder an sich, ohne ihn eingehend zu betrachten. Ihre
Aufmerksamkeit galt eher Rodraeg.
    Ijugis legte sich den
Schild mit dem Pferdeschädel an den rechten Arm. Er war offensichtlich
Linkshänder. Er und Onouk nickten sich zu, dann huschten sie aus der Hütte und
liefen auseinander in die Nacht.
    Rodraeg wollte ihnen
Zeit geben. Besser, sie mußten auf ihn warten, als daß er als erster am Tor
ankam. Alles spülte durch seinen Kopf. Wasser. Kalk. Kochendes Wachs. Zembe.
Die Ketten von Bestar und Hellas. Migal, der irgendwo in dunkler Verwinkeltheit
versteckt war wie eine böse Überraschung. Rodraeg hatte Angst vor Migal, das
wurde ihm jetzt klar. Angst davor, was die Einzelhaft und die Schmerzen im Fuß
und die Fragen über Bestars Verrat und die Verzweiflung über die entwürdigende
Kettensklaverei des Mammuts mit Migals ohnehin schon unerreichbar zornigem
Gemüt angerichtet haben mochten. Wenn man ihn freiließ – war er dann überhaupt
noch zu kontrollieren? Wahrscheinlich war es am geschicktesten, wenn kein
Mammutmitglied Migal freiließ, sondern Onouk oder Ijugis. Denen gegenüber würde
Migal nur gutartige Empfindungen hegen, die nicht durch Groll oder auch Scham
getrübt waren.
    Genug gegrübelt. Jetzt
begann das letzte, alles entscheidende Gefecht. Das einzige, das ihn noch von
Naenn trennte, von Cajin, vom Haus des Mammuts, von Warchaim, von seinem
fensterlosen Bettkämmerchen, das ihm wie der Inbegriff von Freiheit vorkommen
würde, wenn er dort wieder würde schlafen können, ohne Lärm, ohne Rauch und
ohne Kette.
    Rodraeg sprang, genau
wie am Tag ihrer Gefangennahme, durch ein Fenster ins Freie. Er wollte den
Eindruck erwecken, mit Mühe entkommen zu sein und verfolgt zu werden. Im
Dunkeln konnte er den Boden nicht sehen und seine Landung deshalb nicht so gut
vorbereiten. Er prallte hart auf die Erde und wurde von einem heftigen
Hustenanfall durchgeschüttelt. Dennoch rappelte er sich auf und begann hustend,
auf das Gittertor zuzurennen. Es fiel ihm nicht schwer, torkelig und schleppend
zu laufen, so, als hätte er gerade einen zermürbenden Kampf hinter sich. Ekstatisch
tanzend und zuckend schwankte das Tor ihm entgegen. Links und rechts davon
standen zwei Schatten mit Holzscheiten.
    Â»Schnell!« rief er, als
er sah, wie sich Zembe hinter dem Tor aufrichtete. »Sie sind hinter mir! Es
sind mindestens zehn!«
    Zembe stritt sich
offensichtlich mit anderen. Das Tor rührte sich nicht. Rodraeg warf sich vor
dem Gitter auf den Boden und röchelte: »Ich … habe … Nachricht von
Deterio.«
    Â»Also doch, ihr
Idioten!«, schrie Zembe nach hinten. »Hoch, hoch, hoch, beeilt euch!«
    Die Ketten spannten
sich singend, das Tor ruckte an und fuhr hoch. Rodraeg nahm Schwung und rollte
darunter hindurch, so heftig und zappelig, daß er gegen Zembes Beine prallte.
»Entschuldigung«, japste er, während er ihr mit seinen Knien die Füße unterm
Körper wegschlug. »Tut mir leid!« Zembe krachte fluchend auf ihren Schild. Das
Tor wurde fallengelassen, knirschte jedoch aufstöhnend in Holz und rührte sich
dann nicht mehr. Rodraeg tastete Zembes Körper auf der Suche nach den
Schlüsseln ab, die sie Cilf Daubs abgenommen hatte. Zwei Schatten zischten
unter dem Gitter durch. Der eine schmiss sich mit einem wilden Schrei auf die
ebenfalls vor Entsetzen schreienden Kruhnskrieger, der andere tauchte an
Rodraeg vorbei in die Höhle und richtete möglichst viel Chaos an. Der
Anderthalbhänder klirrte neben Rodraeg auf den Boden. Hallsass brüllte sich
widersprechende Befehle. Zembe wehrte sich viel heftiger, als Rodraeg gedacht
hatte. Er versuchte, seinen Unterarm über ihr Gesicht zu bekommen und sie mit
dem Hinterkopf möglichst heftig auf den Steinboden zu dreschen, aber ihr Nacken
hielt seinem Druck einfach stand. Mit der anderen Hand nestelte Rodraeg sich
das Messer hinter dem Rücken hervor, um die Kriegerin wirksam bedrohen zu
können, doch ihre Bewegungen wurden immer schneller. Sie schlug nach ihm,
brachte ihre Beine zwischen sich. Rodraegs Messer kreiselte über den Steinboden
davon. Das Schwarzwachs begann zu fauchen wie ein in die Enge getriebener
Höhlendrache. Das Licht änderte sich, weil ein Arbeiter gegen ein Feuerbecken
stieß. Ijugis wurde von vier

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