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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Stadt hatte sich
verändert.
    Eigentlich waren zwei
Monde eine kurze Zeit für eine Stadt. Aber die Jahreszeit war eine andere
geworden, die Straßen waren nicht mehr gesprenkelt mit Pfützen und Schlamm,
sondern fest und hell, der Himmel war nicht mehr grau und wolkenschwer, sondern
strahlend blau und klar. Deshalb wirkten die Gebäude leuchtend und deutlicher
in ihren Umrissen, und auch die Kleidung der Menschen war nun leichter und
farbenfroher als noch im Regenmond.
    Sie gingen am Gasthaus Alte Kutsche vorüber und passierten den Großstall Straße nach Endailon , in dem über fünfzig Pferde
untergebracht waren. Weiter nördlich kamen sie an Ulrics trutziger Schmiede
vorüber. Dann der geographische Stadtmittelpunkt mit der alten Tempelruine auf
der einen und dem Ehernen Habicht auf der anderen
Seite. Links über allem das Schloß Figelius, wie herausgeputzt für eine
Brautschau. Rechterhand ging es zum Markt, und dort war noch immer allerhand
los. Ein Feuerschlucker begeisterte Kinder, und ein Jongleur schleuderte einen
sich vielfach überschlagenden, wuchtigen Hammer in die Höhe. Sie gingen weiter
nach Norden, hindurch zwischen Bep Immergrüns zweigeschossigem Ausrüstungshaus
und der Kaschemme Würfelbecher , dann weiter an
Rigurds Stall vorbei, vorüber an all den Häusern, die die Nord-Süd-Straße
säumten, bis sie die Kreuzung erreicht hatten, wo es nach rechts zum Badehaus
ging und wo links der Krämerladen von Nideon Hallick kauerte. Daneben, winzig
und unscheinbar, das Häuschen mit dem stilisierten Mammut auf der Tür.
    Rodraegs Herz schlug
bis zum Hals. Bestar feixte übers ganze Gesicht.
    Es war ihnen noch nicht
gelungen, sich der Tür bis auf zwanzig Schritt zu nähern, als hinter dem
Küchenfenster eine hektische Bewegung aufflackerte und gleich darauf die
Haustür aufgerissen wurde. »Ihr seid es tatsächlich!« schrie Cajin. »Juhuh!
Juhuh! Juhuuuhhh!« Er stürmte auf die drei zu, wurde aber von Bestar
abgefangen, gepackt und mit den Füßen nach oben gewendet, bis seine blonden
Haare wie ein Besen über die Straße wischten. »Haben wir dir nicht gesagt, du
sollst die Straße sauberhalten, solange wir weg sind?« schimpfte Bestar
lachend. Vor Vergnügen quietschte Cajin wie ein kleiner Junge. Rodraeg und
Hellas hatten jedoch keine Augen für dieses ausgelassene Wiedersehen. In der
Tür erschien Naenn. Auch sie hatte sich verändert, und Rodraeg war sich sicher,
daß es nicht nur am Sonnenlicht lag. Sie wirkte nicht mehr so blaß und
durchscheinend wie im Frühling, und sie war schöner als in seinen gleißendsten
Träumen.
    Ihre Augen schimmerten
feucht, und ihre Hände waren vor der Brust verschränkt. »Ich bin sehr
glücklich. Es ist wahr geworden.«
    Â»Habt ihr uns denn
erwartet?« fragte Rodraeg.
    Â»Es ist uns geweissagt
worden, daß ihr heute kommt. Cajin hat fast den ganzen Tag vor dem Haus oder an
den Fenstern verbracht.«
    Â»Geweissagt? Von wem
denn?«
    Â»Von Riban. Er ist
gestern hier angekommen.«
    Riban Leribin. Das
Greisenkind, das den Kreis gegründet hatte. Rodraeg schwante, daß ihm all seine
Versäumnisse und Fehleinschätzungen ausführlichst vorgehalten werden würden.
Doch zuerst der angenehme Teil des Wiedersehens: Er nahm Naenn in die Arme und
drückte sie fest an sich. Ihr Haar duftete nach frischen Äpfeln. Ihr Körper
fühlte sich weich und warm und lebendig an. Dieser wunderbare Moment war alle
Mühsal wert gewesen. Aber dann schalt er sich einen Narren: Er hätte das auch
erleben können, ohne wochenlang als Kettensträfling Schwarzwachs einzuatmen.
    Naenn löste sich von
ihm, jetzt waren die anderen an der Reihe. Bestar gab ihr artig die Hand,
während Rodraeg und Cajin sich drückten. Hellas hielt von allen etwas Abstand,
nickte aber grüßend. Berührungen waren ihm unheimlich.
    Â»Wo ist Migal?« fragte
Cajin besorgt.
    Â»Es geht ihm gut, aber
er hat eine andere Richtung eingeschlagen als wir«, erläuterte Rodraeg. »Laßt
uns hineingehen, dann können wir euch alles haarklein erzählen.«
    Sie betraten das Haus
des Mammuts. Es roch anders als zu Beginn. Frischer, sauberer. Überall war
weiter ausgebessert worden. Cajin und Naenn waren alles andere als untätig
gewesen. »Die Betten sind fertig, auch im Gästezimmer«, beeilte Cajin sich zu
erläutern,

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