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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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entschied sich schließlich für einen faustgroßen Kopf, der einen jungen
Schwarzhäutigen darstellte. So stellte Rodraeg sich den ursprünglichen Oobo
vor: als stolzen Urwaldherrscher mit einem kaum merklichen Lächeln auf den
Lippen.
    Â»Wieviel soll der
kosten?«
    Â»Zehn Taler.«
    Â»Die will ich aber
wiederhaben«, drohte Hellas, als er Rodraeg das Geld gab.
    Am späten Abend
schlugen sie am Wegesrand ihr Nachtlager auf. Rodraeg entzündete mit seinem
Zündstein ein gemütliches Feuer. Hellas bestand darauf, daß sie in der Nacht
Wache hielten. Die Heugabelmänner, vor denen die Reisenden auf dem Hinweg so
große Angst gehabt hatten, spukten ihm immer noch im Kopf herum. »Wenn Knechte
erstmal ihre Herren erschlagen haben«, meinte er, »gibt es für sie keine
Grenzen mehr. Jede Schandtat wird dann möglich.« Smoi erklärte sich bereit, die
letzten zwei Stunden Wache zu übernehmen, also reichten Rodraeg und Hellas
jeweils drei Stunden Wachschicht, damit sie fünf Stunden schlafen und sie nach
acht Stunden wieder aufbrechen konnten.
    Während seiner Wache
kaute Rodraeg weiter sein Kraut, spuckte grünen Schleim ins Gras und redete mit
Bestar, der im Halbschlaf nach Wasser verlangte, aber keines bekommen durfte.
Nach ein paar Sandstrichen war der Klippenwälder wieder fest eingeschlafen. Die
Nachtluft war herrlich frisch, Baumwipfel rauschten, die Sterne funkelten wie
hingestreute Diamanten. Kein Waffenklirren weit und breit. Rodraeg hätte am
liebsten die gesamte Götterschöpfung umarmt, Wasser und Erde und Luft und
Feuer.
    Â»Es ist herrlich,
wieder frei zu sein, nicht wahr?« fragte Hellas, der von selbst erwacht war und
gutgelaunt zu Rodraeg hingeschlendert kam.
    Â»Ja, es ist herrlich«,
strahlte dieser und machte ein paar Tanzschritte auf der Wiese. »Es ist
herrlich, frei zu sein. Es ist herrlich, nicht tot zu sein und nicht um sein
Leben kämpfen zu müssen. Es ist auch herrlich, nicht wie Bestar schwer
verwundet auf dem Wagen liegen zu müssen. Wir sollten das niemals vergessen.
Man nimmt zu vieles für selbstverständlich und läuft dann Gefahr, sein Leben zu
verschwenden.«
    Hellas nickte und wurde
ernst. »Nachdem mir das passiert war, mit meiner Frau und den Banditen, wollte
ich mein Leben nicht mehr haben. Jedes Gelächter kränkte mich. Jeder Windhauch
verbrannte mich. Jede Bewegung erschreckte mich. Ich stand am Meeresstrand und
wollte tot sein. Es schien so einfach: Ich brauchte eigentlich nur
hineinzugehen in immer tieferes Wasser, mich umfangen lassen und vergessen.
Weißt du, was mich zurückhielt?«
    Rodraeg verneinte
wortlos.
    Â»Die Wellen. Jede
einzelne von ihnen lief mir entgegen wie eine Hand, die mich fortscheuchen
wollte. ›Geh und lebe‹, flüsterten sie. ›Lebe und geh. Hier bei uns ist sie
auch nicht.‹«
    Â»Wie hieß sie, deine
Frau?«
    Hellas atmete tief
durch. »Saciel. Wir waren gerade erst ein halbes Jahr verheiratet.«
    Â»Such sie nicht im
Meer. Such sie in den Sternen, bei den Göttern.«
    Sie schauten beide
hinauf, fast eine Viertelstunde lang. »Geh jetzt schlafen«, sagte Hellas
schließlich. »Ich wecke den Schnitzmeister kurz vor dem Morgengrauen.«
    Am folgenden Tag kam
Bestar richtig zu sich. Die zwei Tage, an denen er nichts essen und trinken
durfte, waren vorbei, deshalb gab Rodraeg ihm vorsichtig Wasser, und Hellas
fütterte ihn mit aufgeweichtem Hartbrot.
    Â»Scheiße, ist das
peinlich«, waren Bestars erste deutlich zu verstehende Worte. »In der Höhle
habe ich die ersten Tage verpennt – und jetzt wieder. Das solltest du mir vom
Lohn abziehen, Mann.« Er strich sich übers Kinn. »Warum bin ich eigentlich
vollbärtig und dreckig angezogen, während ihr rumlauft wie frisch gepflückte
Lilien?«
    Â»Es gab nichts in
deiner Größe«, lachte Rodraeg. »Außerdem ist es vielleicht ganz gut für dich,
wenn man nicht gleich sieht, daß du zu uns gehörst. In den letzten Wochen hast
du viel einstecken müssen unseretwegen.«
    Â»Och, gegen eine
ordentliche Prügelei gibt’s doch nichts zu sagen. Wo steckt Migal?«
    Â»Der ist durchgebrannt.
Mit den Vermummten.« Rodraeg sprach es so schonungslos und klar wie möglich
aus. Um den heißen Brei herumzureden, würde Bestar nur wütend machen. Dennoch
war er erstaunt über Bestars Reaktion. Der

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