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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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noch lange nicht ausgeheilt. Rodraeg hatte den
Eindruck, in den letzten Tagen literweise grüngefärbten Schleim und Speichel
ausgespien zu haben, aber das Husten schmerzte immer noch, und manchmal bekam
er kaum Luft zwischen den Krämpfen.
    Er begann damit, ihnen
entgegenkommende Reisende nach Marionettenkraut zu befragen, ob sie wüßten, wo
man es finden oder kaufen könnte. Keiner konnte ihm weiterhelfen. Rodraeg
fluchte über sich selbst, daß er zu dumm gewesen war, wenigstens einen Halm
aufzubewahren, um ihn vorzeigen zu können.
    Nach Kirna wollte er
nicht. Zu groß war die Gefahr, daß sich dort zwei wütende Väter zweier
entehrter Töchter auf Migals ehemalige Reisebegleiter stürzen würden. Die
anderen Dörfer längs des Weges waren jedoch weiter von der Straße entfernt, und
Smoi wollte keine Umwege machen, weil er an einem ganz bestimmten Tag in
Somnicke eintreffen wollte. Blieb also nur noch Naenn. In fünf Tagen würden sie
in Warchaim sein. Naenn würde ihm weiterhelfen können, und wenn nicht sie, dann
dieser Kräuter- und Drogenhändler, den Rodraeg auf seiner Warchaim-Karte
eingetragen hatte.
    Fünf Tage ohne das
Kaukraut. Rodraegs Handflächen wurden alleine schon von diesem Gedanken
schweißig, aber er nahm sich vor, sich nicht gehenzulassen wie ein
Suchtkranker. Die dunkle Quelle würde nicht in seiner Lunge wuchern. Nicht in
fünf Tagen. Niemals.
    Um sich auf andere
Gedanken zu bringen, ging er die Ereignisse der letzten Wochen noch einmal
durch und stieß dabei auf eine Frage, die er vollkommen vergessen hatte.
    Â»Bestar? Wie hast du es
eigentlich geschafft, die Kette zu zerreißen, als Zembe mich erschlagen
wollte?«
    Bestar senkte müde den
Kopf. »Das haben wir Migal zu verdanken. Ich habe die ersten Tage in der Höhle
ja verpennt, aber Migal hat schon in den ersten Stunden unsere beiden Ketten
genau untersucht und das jeweils schwächste Glied herausgefunden. Bei der
Arbeit haben wir dann jede Gelegenheit genutzt, diese Kettenglieder weiter zu
schwächen. Wir haben Fässer daraufgestellt und gekippelt, wir haben Greifhaken
auf sie fallen lassen, an Tropfsteinen gescheuert, sie am Feuer fast zum Glühen
gebracht und dann wieder mit Wasser abgeschreckt. Zwanzig, dreißig Mal am Tag.
Im zweiten Mond hätten wir unsere beiden Ketten jederzeit zerbrechen können,
darauf beruhte Migals Fluchtplan. Nur wie wir es draußen hätten schaffen
sollen, an den Söldnern vorbeizukommen – das war mir nicht klar.«
    Rodraeg schwieg. Also
hatte Migals Fluchtplan zumindest im Ansatz Hand und Fuß gehabt. Und er,
Rodraeg, der sogenannte Anführer, war nicht eingeweiht gewesen. Nicht
eingeweiht und nicht beteiligt. So etwas durfte nie wieder passieren. Bei ihrer
nächsten Mission würde die Gruppe aus ihm, Bestar, Hellas und Naenn bestehen.
Da konnte er die Schwächen und Stärken einschätzen. Da wußte er, worauf er sich
verlassen konnte und worauf nicht.
    Als sie am Morgen des
neunten Tages ihrer Rückreise die Schlafdecken zusammenrollten, sagte Smoi:
»Warchaim ist jetzt nur noch einen halben Tagesmarsch entfernt. Ich würde gerne
von hier aus direkt nach Westen weiterfahren, dann muß ich den Larnus nicht
queren und spare Zeit. Ihr müßt von hier aus eher nach Norden.«
    Â»Schade«, sagte
Rodraeg, »wir hätten Euch gerne als Gast im Haus des Mammuts bewirtet.«
    Â»Auf meiner Rückreise
von Somnicke schaue ich mit Freuden bei Euch vorbei.«
    Alle drei gaben Benter
Smoi die Hand und verabschiedeten sich. In den letzten Tagen hatten sie sich
nur noch wenig auf dem Wagen aufgehalten, sondern waren die meiste Zeit
nebenhergewandert, aber alleine die Gewißheit, daß jeder sich mal für ein
Stündchen hinten hatte draufsetzen können, um die Füße auszulüften, war schon
eine große Annehmlichkeit gewesen.
    Rodraeg und Bestar
verabschiedeten sich auch von Junaf. Die Karotten waren leider alle, aber der
Esel freute sich auch so über ihr Streicheln und Tätscheln. Dann trennten sich
ihre Wege. Die Mammutreisenden winkten dem Holzschnitzer hinterher, bis sich
Bäume in die Sicht schoben. Dann machten sie sich auf nach Norden.
    Am sonnigen Nachmittag
überquerten sie den Larnus auf der großen Brücke Richtung Endailon und betraten
Warchaim zu dritt, mehr als zwei Monde, nachdem sie es zu viert verlassen
hatten.

19

Von hier
    Die

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