Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
behalten.
    Er wartete, daß Ryot
wieder vorstieß, und der tat ihm den Gefallen. Rodraeg duckte sich und ließ
seine Unterarme treffen.
    Er mußte versuchen, den
Gegner auszurechnen, Bewegungsangewohnheiten zu erkennen und für sich zu
nutzen. Aber Ryot war einfach nur schnell und wütend. Er deckte Rodraeg mit
einer prasselnden Schlagserie ein. Rodraeg nahm zwar den Kopf tief und schützte
ihn, aber die Treffer auf die Rippen taten unerträglich weh und raubten ihm die
Luft. Es steckte unglaublich viel Wucht in Ryots Fäusten. Kein Wunder, dachte
Rodraeg. Ein Anderthalbhänder ist viel schwerer als ein Säbel. Ryot mußte viel
Kraft in Oberarmen und Händen haben, um eine solche Waffe handhaben zu können.
    Rodraeg suchte sein
Heil in einem Klammergriff, um wenigstens die zermürbenden Schlaghände
irgendwie festzusetzen, aber Ryot riß sich los. Verzweifelt setzte Rodraeg
nach. Er konnte diesen Kampf nicht lange durchhalten. Er mußte eine schnelle
Entscheidung suchen. Japsend prügelte er mit rudernden Armen auf Ryot ein, der
sich jetzt seinerseits stöhnend in Deckung krümmte. Es war eine unansehnliche Rauferei,
kein wirklich athletisches Schauspiel, aber das war Rodraeg egal. Seine Nase
schmerzte, seine Rippen schmerzten, seine Unterarmknochen fühlten sich wie
gesplittert an, und seine Fäuste straften jeden Treffer, den er landete, mit
Pein. Rodraeg verausgabte sich, legte alles, was er hatte, in wilde und
ungezielte Treffer, um diesen Banditen zu Boden zu zwingen. Doch Ryot war noch
lange nicht am Ende. Aus der Deckung heraus, aus seiner vornübergekrümmten
Haltung, schlug er einen rechten Aufwärtshaken genau in die Mitte von Rodraegs
Brustkorb. Rodraeg blieb die Luft weg. In seinen Ohren rauschten Wasserfälle.
Seine Arme vergaßen zu schlagen. Ryot richtete sich auf, wischte mit einer Hand
Rodraegs Arme beiseite und schlug mit der anderen in Rodraegs Gesicht. Naenn
schrie etwas. Rodraeg stand da wie vom Blitz getroffen. Ryot holte aus und
schlug erneut zu. Diesmal löschte er alles Licht, allen Klang und sämtliche
Bewegung.
    Zuerst war das Erwachen
ein klebriges Tasten in einem atmenden Raum. Dann setzten Schmerzen ein,
pochend, unnachgiebig, gleißend geradezu. Rodraeg wollte wieder zurück ins
Dunkel robben und sich der Erinnerungslosigkeit hingeben, doch Naenns sanfte
Stimme führte ihn wie an einem glimmenden Fädchen zurück in die Welt. Sie
summte ein Lied für ihn. Ein Schmetterlingslied.
    Als sie bemerkte, daß
er sich regte, half sie ihm, Panik und Übelkeit zu überwinden. »Schhhhh«,
flüsterte sie, »laßt Euch Zeit mit dem Erwachen. Die Gefahr ist längst
vorüber.«
    Â»Die … Kerle sind
weg?«
    Â»Gegangen. Vor Stunden
schon.«
    Â»Stunden?! Ich war
stundenlang bewußtlos?« Es war immer noch dunkel, so viel konnte Rodraeg
erkennen, aber ansonsten fast nichts. Das Feuer brannte ruhig und stetig. Der
Mond warf rasende Wolken von sich wie Schleier. Rodraeg lag auf dem mit dem
ersten Gras des Frühlings bewachsenen Boden, dort, wo er gefallen war. Sein
Gesicht fühlte sich an, als sei es bis zur Unkenntlichkeit geschwollen. Jeder
einzelne seiner Fingerknöchel war wund und aufgeschürft.
    Â»Ihr wart nicht
stundenlang bewußtlos. Ich habe mir erlaubt, Eure Ohnmacht in einen Heilschlaf
überzuleiten, damit Ihr nicht unter Nachwirkungen zu leiden habt. Ryot hat
Euren Kopf äußerst hart getroffen. Manche wachen nach solchen Schlägen nie
wieder auf.«
    Mit Erleichterung stellte
Rodraeg fest, daß die Fetzen, die sich von seinem Gesicht ablösen ließen, keine
Haut waren, sondern Blätter. Kräuter, die Naenn ihm auf die Nase und die am
meisten in Mitleidenschaft gezogenen Gesichtspartien gelegt hatte. Rodraeg
preßte diese Wundpackungen fester an und wackelte vorsichtig an seiner
schmerzenden, aber wohl nicht gebrochenen Nase. »Ich habe Euch zu danken. Ihr
habt Euch fürsorglich um mich gekümmert. Und das, obwohl ich so schmählich
versagt habe.«
    Â»Ihr hattet keine
Chance gegen ihn. Ich habe in ihn hineingesehen. Ein Krieger. Einer, der schon
viele Männer erschlagen hat. Er hätte Euch töten können. Aber er wollte Euch
nichts tun.«
    Â»Naja. Das, was er mir
getan hat, hat mir fürs erste gereicht.«
    Â»Seht, was er Euch
dagelassen hat.«
    Rodraeg folgte ihrem
schimmernden Blick. Neben ihm im Boden steckte der

Weitere Kostenlose Bücher