Die dunkle Quelle
AuÃenstadt seit seinem letzten Besuch vor acht Jahren weiter
gewachsen war. Hier drängten sich all jene, die teilhaben wollten an der
Majestät, für die im Inneren jedoch kein Platz mehr war, in maroden Hütten und
teilweise sogar nur zeltartigen Behausungen aneinander. Viele aus den
Sonnenfeldern waren hier untergekommen seit der groÃen Dürre damals, die
Rodraegs Vater um seinen Besitz gebracht hatte. Wenigstens das, dachte Rodraeg
bitter, hatte er seinen Eltern ersparen können. Aldava sah inzwischen wie
belagert aus, und die Zahl der Belagerer wuchs. Wie auch immer der Feldzug
gegen die Affenmenschen sich entwickeln mochte â auch, falls er wirklich
bereits in einer Katastrophe geendet hatte: Womöglich würden noch viele weitere
Menschen hier in Aldava Obdach suchen, Flüchtlinge aus den Provinzen Hessely,
Ferbst und Brissen.
Aber die AuÃenstadt war
nicht einfach nur ein Chaos. Je näher man ihr kam und spätestens, wenn man ihre
Ausläufer passierte und in sie vordrang, erkannte man eine Struktur, einen
natürlich gewachsenen Versuch, die prachtvolle Stadt im Inneren der weiÃen
Mauer nachzuahmen. Man konnte hier drauÃen einkaufen und Waren feilbieten, man
konnte trinken, essen, schlafen und Liebesdienste erstehen, man konnte hier
Arbeit finden oder stehlen, beten oder fluchen, sich eine Hütte errichten,
Kinder bekommen und aufziehen. Es gab viele unterschiedliche Völker, die sich
hier mischten, viele unterschiedliche Brauchtümer und Zungenschläge, und
mindestens ebensoviele Hoffnungen auf eine lebenswerte Zukunft.
Sechs hell gepflasterte
StraÃen führten durch die AuÃenstadt zu den sechs groÃen Toren in der weiÃen
Mauer, und auf der nördlichen dieser sechs StraÃen näherten sich Rodraeg und
Naenn dem Heleletor, das dem Gott des Silbers und des Alters geweiht war. Das
Gewimmel auf der TorstraÃe war schier unüberschaubar, Rodraeg muÃte sehr
aufpassen mit seinem riesigen Schwert, damit er niemanden verletzte. Die Tore
waren Tag und Nacht geöffnet, wurden nur bei Gefahr und in Zeiten besonderer
Not geschlossen, aber mindestens acht Stadtgardisten in ihren mit Gold, Blau
und dem Symbol der Krone verzierten Lederuniformen waren an allen Toren
positioniert und beargwöhnten jeden, der hineinwollte. Da sie ab und zu
Stichproben machten und einen Wagen durchsuchten, oder sich Zeit nahmen, um das
Gesicht eines Abenteurers mit einem Steckbrief zu vergleichen, staute sich das
Vorankommen. Rodraeg und Naenn reihten sich ein und warteten geduldig. Beim
Passieren des Heleletores nahm Rodraeg das Schwert von der Schulter und verbarg
es eng am Körper zwischen den anderen Hindurchdrängelnden. Der miÃtrauische
Blick eines Gardisten traf ihn, aber Rodraeg lächelte sein harmlosestes
Rathausschreiberlächeln und blieb unbehelligt. Als sie drinnen waren,
orientierten sie sich â Rodraeg aufgrund seiner mehrjährigen Ortskenntnisse,
während Naenn kaum mehr als den Weg zum Kreis kannte, zum alten General und zu
Baladesar Divon.
»Wir müssen hier
entlang zum Treffpunkt«, sagte Naenn.
Rodraeg zögerte. »Ich
will vorher noch versuchen, mir eine Schwertscheide zu besorgen. Ich kann hier
nicht wie ein Strauchdieb rumlaufen. Dort hinten in dieser StraÃe gibt es einen
Waffenhändler. Folgt mir einfach.«
Auf den StraÃen der
Innenstadt war es fast ebenso voll wie in der AuÃenstadt, aber man sah hier
weniger Viehkarren und mit groÃen Rucksäcken beladene Wanderer, dafür mehr
Kutschen, Sänften und wohlhabende Damen samt Leibwache auf Einkaufsbummel.
Gesäumt waren die StraÃen mit groÃen, vielfarbigen Gebäuden, die meisten von
ihnen vier Stockwerke hoch. Manche hatten ausladende Balkone und Erkerfenster,
andere wiederum sahen wie kleine Paläste aus, mit Türmchen und Bogen, und
überall wehten Fahnen und Wimpel mit den Wappen von Familien und dem goldenen
Zeichen der Krone.
Der Laden, den Rodraeg
ansteuerte, hieà âºSchwertmeister Schellusâ¹. Der Besitzer war ein ehemaliger
Arenakämpe, der seine Sandalen früh an den Nagel gehängt hatte, um sich von
seinen Preisgeldern einen kleinen Laden in der Hauptstadt zu leisten. Rodraeg erkundigte
sich nach einer Scheide für seinen Anderthalbhänder, doch Schellus muÃte
passen.
»Die MaÃe dieser Klinge
sind sehr ungewöhnlich. Schmaler als ein Anderthalbhänder sonst, aber noch zwei
Fingerbreit
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