Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
am
See?«
    Â»Am Delphior-See?«
fragte Naenn.
    Â»Nein. Am Brennenden
See. In den Klippenwäldern. Ist fast so groß wie der Delphior. Hundert Meilen
Wasser. Wenn die Sonne sinkt, setzt sie den See in Brand mit ihrem Sterben. Man
kann die Hitze im Gesicht spüren.«
    Rodraeg erhob sich
jetzt auch. Er wollte Ryot nicht in seinem Rücken haben und stellte sich so
auf, daß er alle drei im Blick hatte. Dabei tat er so, als wärmte er sich die
Hände am Feuer, obwohl sie heiß und trocken waren.
    Â»Mir hat mal jemand
erzählt, das sei nur eine Luftspiegelung«, sagte er. »Das Wasser des Sees nimmt
die Farbe der sinkenden Sonne an. Dadurch und durch aufsteigende Nebel sieht es
wie eine Feuersbrunst aus.«
    Â»Und doch kann man die
Hitze spüren. Zumindest, wenn man von dort stammt.« Lächelnd wandte Ryot sich
wieder um und kam zurück. Das Feuer flackerte heftiger. Eine milde Brise ließ
das Birkenlaub rascheln. Ryot ging ganz nahe an Rodraeg vorbei, und plötzlich
erhielt Rodraeg einen starken Tritt seitlich gegen die rechte Wade. Seine Knie
klackten schmerzhaft gegeneinander und gaben nach. Aber Rodraeg sackte nicht
einfach zusammen. Ryot packte ihn an den Haaren und riß ihn nach hinten um. Als
Rodraeg hart auf dem Rücken aufschlug, sah er Ryot unter den Sternen kauern und
spürte Ryots Gewicht auf der Brust und den kalten Stahl seines eigenen Säbels
am Kehlkopf. Keine einzige von Ryots Bewegungen hatte er mitbekommen. Er war
überrumpelt worden wie ein Anfänger.
    Naenn sprang auf, aber
im Nu wurde sie von Tenkar und Barri in die Zange genommen und an beiden Armen
festgehalten. Sie wehrte sich nicht.
    Â»Wißt ihr, ich mache
mir wirklich Sorgen«, sagte Ryot und verstärkte den Druck der Klinge auf
Rodraegs Hals. »Da ist dieses wunderschöne Mädchen, so dermaßen wunderschön,
daß man fast blind wird, wenn man sie länger als zwei Augenblicke ansieht, und
als Begleiter hat sie einen vollkommen unfähigen Leibwächter mit einem – was
soll das überhaupt sein? Das ist wohl mal ein Säbel gewesen vor dreißig oder
vierzig Jahren. Jetzt kann man vielleicht noch Brot damit schneiden, aber nur,
wenn es vor Trockenheit schon fast von selbst auseinanderkrümelt.
Familienerbstück?«
    Â»Wir haben kein Geld«,
brachte Rodraeg mit belegter Stimme hervor. Seine Knie schmerzten immer noch,
als hätte Ryot mit einem Ruder dagegengeschlagen.
    Â»Oh, das glaube ich
euch sogar. Zumindest, daß ihr nicht viel Geld habt. Aber es könnte reichen, um
meinen Freunden und mir das Reisen für ein paar Tage angenehmer zu gestalten.«
Tenkar und Barri kicherten.
    Â»Tu ihm nichts«, bat
Naenn. »Das ist es nicht wert. Wir geben dir das Geld freiwillig.«
    Â»Warum setzt du dich so
für ihn ein? Wenn ich dein Leibwächter wäre, bräuchtest du drei lächerliche
Strauchdiebe nicht um dein Leben anzuflehen.«
    Â»Er ist nicht mein
Leibwächter. Das habe ich vorhin nur gesagt, weil du mich auf die Idee gebracht
hast. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt. Ich beschütze ihn.« Blitzschnell
riß Naenn sich los, packte links und rechts jeweils einen Arm von Tenkar und
Barri und verdrehte ihn so, daß die beiden, wollten sie sich nicht die Arme aus
den Gelenken hebeln lassen, gar keine andere Wahl hatten, als sich rückwärts in
der Luft zu überschlagen und unsanft auf dem Rücken zu landen. Naenn strich
sich die Ärmel glatt. »Ich kann es nicht leiden, angefaßt zu werden.«
    Â»Ein netter kleiner
Trick«, gab Ryot lächelnd zu. »Und dennoch ein großer Fehler. Denn ich hätte
deinen Freund jetzt töten können, und du wärst zu beschäftigt gewesen mit dir
selbst, um es zu verhindern. Du wirst zu schnell wütend. Und er ist zu langsam.
Wie ich schon sagte: Ich mache mir ernstliche Sorgen um euch beide.«
    Stöhnend und ächzend
kämpften Tenkar und Barri sich langsam wieder hoch. Tenkar blieb in Naenns
Nähe, wagte sich aber nicht mehr an sie heran. Barri humpelte zu der Birke mit
den Waffen und brachte die drei Klingen an sich.
    Rodraeg litt furchtbar
darunter, überhaupt nichts tun zu können. Sobald er sich aufbäumte oder
versuchte, seine Arme unter Ryots Kinn zu bekommen, würde dieser ihm seinen
eigenen Säbel durch den Hals stechen. Er war vollständig ausgeschaltet.
Nutzlos. Schlimmer noch: eine Geisel, mit der man Naenn

Weitere Kostenlose Bücher