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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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länger.« Schellus schwang das Schwert, so weit sein vollgepfropfter
Laden das zuließ. »Ungewöhnlich zu führen. Schwergängig im Hebelpunkt, aber
sauber im Durchzug. Stabil, würde ich schätzen. Gute Schneide. Verhältnismäßig
neu. Darf ich fragen, woher?«
    Â»Geschenkt bekommen.«
    Â»Hmmmm. Ein schönes
Geschenk. Ist gut und gerne seine zweihundert Taler wert.«
    Â»Du liebe Güte! Umso
dringlicher brauche ich eine Scheide, damit nicht sämtliche Diebe des
Kontinents versuchen, mir das Ding wegzunehmen.«
    Â»Eigentlich ist ›das
Ding‹ dazu da, daß keiner mehr Euch etwas wegnehmen kann.«
    Rodraeg räusperte sich.
»Tja, ich muß wohl erst noch lernen, damit umzugehen.«
    Schellus musterte ihn
eindringlich. »Darf ich fragen, wie alt Ihr seid?«
    Â»Sechsunddreißig.
Wieso?«
    Â»In dem Alter baut man
nicht mehr so schnell Muskeln auf. Aber es ist noch nicht zu spät, wenn Ihr
fleißig seid. Ihr seid Rechtshänder?«
    Â»Ja.«
    Â»Ãœbt am besten
beidhändig, sonst bekommt ihr Rücken- und Nackenprobleme. Was ich Euch anbieten
kann, ist eine längliche Leinentasche mit Tragegurt, so in der Art, wie die
vornehmen Herrschaften sie benutzen, um ihre Pferdballschläger zu tragen. Darin
müßte Euer Schwert gut aufgehoben sein, bis Ihr Zeit findet, eine stabile
Scheide maßanfertigen zu lassen. Und ich gebe Euch das hier dazu.« Schellus
kramte unter seiner Theke und legte zwei breite lederne Bänder mit
Metallschnallen auf den Tisch.« Die verstärken Eure Handgelenke. Ihr habt zu
zarte Händchen für eine solche Waffe.«
    Rodraeg schluckte
seinen Groll hinunter. Immerhin war er früher Abenteurer gewesen, war mit dem
Säbel seines Onkels durch die Welt gezogen und hatte … überhaupt keine
Heldentaten vollbracht. Schellus hatte Recht. Rodraeg war Schreiber geworden,
war genau genommen die meiste Zeit seines Lebens, auch schon vor Kuellen,
nichts anderes als Schreiber gewesen. Aber es ist noch nicht
zu spät, wenn Ihr fleißig seid.
    Rodraeg bedankte sich,
bezahlte, schob Ryots Schwert und die beiden Lederbänder in die gut passende
Tasche, hängte sie sich über die Schulter und verließ den Laden. Naenn hatte
vor der Tür auf ihn gewartet. Für Waffen und ihre Händler hatte sie nicht besonders
viel übrig.
    Der Bezirk, in den
Naenn Rodraeg führte, lag nahe der inneren Mauer, hinter der auch der Palast-
und Tempelbereich zu finden war. In dieser Mauer gab es vier Tore, die den vier
Oberen Göttern geweiht waren. Dahinter umgrenzte eine weitere Mauer den Palast.
Diese hatte nur noch ein einziges Tor, keinem Gott, sondern König Rinwe geweiht,
dem legendären Vereiniger und Begründer der Königskronen-Zeitrechnung.
    Hier, im Schatten der
zweiten Mauer, waren die Häuser kleiner, demütiger, und Naenn führte Rodraeg
zur Tür eines der kleinsten. Sie klopfte, und nach einer Weile öffnete eine
alte, dickliche Frau mit gutmütigem Gesicht.
    Â»Naenn, mein Liebling,
endlich bist du gekommen!«
    Naenn und die Alte
drückten sich, und plötzlich fing Naenn an zu weinen. Es war nur ein kurzer
Ausbruch, ein Schluchzen und ein Beben der Schultern, aber die Alte hielt das
Schmetterlingsmädchen ganz fest und strich ihr übers Haar. »Mein armer kleiner
Schatz, was ist denn los? Ist etwas passiert?« Rodraeg war viel zu erschrocken,
um zu reagieren, und Naenn fing sich sehr schnell, löste sich sanft aus den
mütterlichen Armen und wischte sich beschämt Tränen aus dem Gesicht. »Ich bin
ein törichtes Kind, Eria. Verzeiht mir, alle beide. Ich freue mich so sehr,
dich zu sehen. Die Reise war lang und schwer, und jetzt ist es geschafft.«
Rodraeg wollte etwas Aufmunterndes sagen, aber er brachte keinen Ton heraus.
Ihm war gerade etwas Seltsames passiert: Als Naenn übergangslos angefangen
hatte zu weinen, waren ihm ebenfalls Tränen in die Augen geschossen und ein
tiefer Schmerz in die Brust, ein Mitgefühl, ein Sehnen, ihr etwas abnehmen zu
können. Dabei wußte er nicht einmal, was der Anlaß war, und wunderte sich über
sich selbst. Naenn trat einen Schritt von Eria zurück. »Ich bin so unhöflich.
Eria, dies ist Rodraeg Talavessa Delbane. Rodraeg, dies ist Eria.«
    Noch halb abwesend
deutete Rodraeg eine galante Verbeugung an und wollte »Sehr erfreut« sagen, kam
aber gar nicht dazu, denn

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