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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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weitere Betätigungen. Es gibt ja immer noch diese Sache mit dem
Senat.«
    Â»Wie steht es damit?«
    Â»Mehr als zehn Jahre
harter Überzeugungsarbeit, und wir haben immer noch keinen einzigen Fuß in den
Palast bekommen. Aber über Politik können wir nachher reden. Was in aller Welt
hast du bloß mit deinem Gesicht angestellt? Bist du wieder mal vom Pferd
gefallen?«
    Rodraeg erzählte erneut
seine abschwächende Geschichte von einer Rauferei, die sich nicht hatte
vermeiden lassen. Baladesar wirkte argwöhnisch, hakte aber nicht nach. Kiara
fragte nach Details im Kuellener Alltag und wie Rodraeg gewohnt hatte, und auch
sie hakte nicht weiter nach, als er nüchtern von seinem Einzelzimmer im Quellenhof berichtete. Sie fragte noch nach dem Verbleib
von Rodraegs Eltern seit den Dürrejahren, und der Rest des Tischgespräches
drehte sich um die Sonnenfelder und die jeweiligen Familien.
    Baladesars und Kiaras
Familien waren beide in witterungsunabhängigen Gewerben tätig, Baladesars Vater
als Schriftensetzer und Kiaras Eltern im Schiffsbau. Viele andere hatten die
Sonnenfelder verlassen müssen und ihre Zukunft woanders gesucht. Die
Bediensteten im Haus Divon waren samt und sonders Sonnenfelderflüchtlinge aus
der Außenstadt. Baladesar und Kiara gaben ihnen die Möglichkeit, sich in der
Stadt einen ehrlichen Lebensunterhalt zu verdienen. Das und der Beistand vor
den Gerichtsbarkeiten der Königin durch Baladesars Kanzlei – mehr konnte für
die armen Menschen aus den einstmals schönsten Ländereien des Kontinents
niemand tun.
    Nach dem Essen verzogen
Rodraeg und Baladesar sich mit wärmenden Hausmänteln und einem erhitzten
Holunderbeerwein in den offenen Innenhof des Hauses. Baladesar entzündete zwei
Schwimmkerzen und ließ sie im Teich treiben. Im warmen Schein saßen die beiden
Jugendfreunde nebeneinander auf einer Holzbank, schlürften aus ihren dampfenden
Tonbechern und hingen ihren Erinnerungen nach. Schließlich kam Baladesar auf
die Gegenwart zu sprechen.
    Â»Ich nehme an, das
Schmetterlingsmädchen hat dich gefunden«, begann er.
    Â»Ja. Und ich möchte dir
danken, daß du mich ins Spiel gebracht hast. Ich verstehe gut, daß du abgelehnt
hast, aber ich dagegen … ich denke mittlerweile, daß diese Sache das
Größte ist, was mir je widerfahren wird.«
    Baladesar atmete
heftig. »Hast du den Kreis kennengelernt?«
    Â»Ja. Vor wenigen
Stunden erst.«
    Â»Und?«
    Â»Beeindruckend.
Seltsam. Beängstigend. Verwirrend.«
    Baladesar nickte. »Ich
hatte schon von ihnen gehört, bevor sie mit mir Kontakt aufgenommen haben. Als
Advokat in einer solchen Stadt bekommt man vieles mit. Gerüchte, aber auch
Handfestes. Von einem Untergrundmenschen war die Rede, der umherreist und mit
Riesen in Verhandlungen getreten ist. Und man munkelte von einem Wiedererwachen
des großen Riban Leribin.«
    Â»Ist Riban Leribin
bekannt in Aldava?«
    Â»Nicht jedem. Zumal er
ja wohl vor zehn, fünfzehn Jahren einen furchtbaren Unfall hatte und seitdem
zurückgezogen in einem Turm im Schatten der Außenmauer haust. Aber er war
einmal einer der ›Großen Zehn‹, die als Nachfolger der Götter gehandelt wurden.
Das muß vierzig oder fünfzig Jahre her sein, und von den ›Großen Zehn‹ sind
mittlerweile nicht mehr viele am Leben.«
    Â»Von solchen Dingen
habe ich überhaupt keine Ahnung«, mußte Rodraeg zugeben. »Ich habe mich zuviele
Jahre lang mit den kleinteiligen Kümmernissen der Landbevölkerung
herumgeschlagen. Ich glaube, das Große und Ganze habe ich aus den Augen
verloren.«
    Â»Das ist meine Schuld.«
    Â»Wie kommst du denn
darauf?«
    Â»Du weißt genau, was
ich meine. Nach all den Jahren fällt es immer noch nicht leicht, darüber zu
reden. Weil es das Einzige ist, was unsere Freundschaft je überschattet hat,
und weil ich mit dir natürlich lieber über unsere Jugendstreiche lachen würde
oder über die Sprüche des alten Hjandegraan, als an alten Wunden zu rühren –
aber ich fürchte, wir müssen das endlich einmal ausräumen, weil wir über acht
Jahre lang versäumt haben, es zu tun. Weil wir gedacht haben, wir bräuchten es
nicht auszuräumen. Aber die vergangenen acht Jahre haben uns wohl doch eines
Besseren belehrt.«
    Â»Baladesar, es ist
nicht nötig, daß wir …«
    Â»Doch, wir

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