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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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bin
sozusagen bereits in Behandlung. Das heilt schon alles.«
    Â»Davon mal abgesehen«,
schmunzelte sie spöttisch, »siehst du gut aus. Deine Schläfen werden langsam
ein kleines bißchen grau. Das steht dir.«
    Â»Was denn, jetzt schon
grau?« rief Rodraeg erschrocken und zupfte sich an den Schläfenhaaren herum.
    Â»Dein Vater und dein
Onkel sind auch früh grau geworden, erinnerst du dich nicht mehr? Das gab euch
Delbanes immer so etwas Tiefgründiges, Gewichtiges.«
    Rodraeg wußte nichts zu
antworten. Wieder einmal fühlte er sich begutachtet, auch war ihm unbehaglich
mit Kiara allein. Es war lange Zeit ein offenes Rennen gewesen zwischen
Baladesar und ihm um die Gunst der reizenden Kiara Manego aus Josega. Drei
Jahre lang. Dann mußte Rodraeg zurück in die Sonnenfelder, um den Besitz seines
Vaters zu veräußern, und Kiara traf ihre Wahl.
    Â»Ich weiß nicht«, sagte
er. »Mein Onkel und tiefgründig? Die meiste Zeit über war sein Gesicht
zerbeulter als meines jetzt.«
    Â»Ja. Weil er ein
Raufbold, Tunichtgut und Säbelheld war. Aber seine weißgrauen Haare machten ihn
für die Frauen unwiderstehlich. Meine Mutter sprach nur gut von ihm, und meine
Mutter konnte Männer ohne Grundbesitz eigentlich nicht ausstehen.«
    Â»Rodraeg! Das kann ja
fast nicht wahr sein!« Baladesar erschien in einer Innentür, halb verdeckt von
ausladenden Kübelpflanzen. Er eilte den beiden entgegen. Die Unsicherheit
zwischen ihm und Rodraeg, nachdem sie sich acht Jahre lang nicht mehr gesehen
hatten, währte nur den Bruchteil eines Augenblickes. Dann umarmten sie sich
fest und innig, und es war, als wären sie nie getrennt gewesen.
    Baladesar war etwas
fülliger geworden, seine Haare kürzer, und auf der Nase trug er ein
eigentümliches Gestell mit geschliffenen Gläsern darin, aber ansonsten hatte er
sich nicht verändert. Er tippte Rodraeg mit dem Zeigefinger gegen die Stirn.
»Ich kann mir denken, weshalb du hier bist. Du kannst mir nachher alles
erzählen, jetzt tischen wir erstmal auf für unseren Gast, was unsere
Vorratskammer hergibt.«
    Â»Ich will wirklich
keine Umstände machen …«
    Â»Umstände! Wir freuen
uns doch! Wir schmeißen sogar unsere Töchter aus den Federn, damit sie dich
kennenlernen.«
    Â»Das wird nicht nötig
sein. Wenn es geht, würde ich gerne hier übernachten, dann kann ich die Mädchen
morgen früh sehen.«
    Â»Ob es geht, fragt er
uns. Ob es geht! Wir lassen unser bestes Gästezimmer herrichten, so gut wirst
du schon lange nicht mehr geschlafen haben wie hier bei uns.«
    Trotz der vorgerückten
Nachtstunde wurde jetzt ausgiebig getafelt, das heißt: Rodraeg kaute mit vollen
Backen erlesene Wurst-, Gefügel- und Obstspezialitäten, und das Ehepaar Divon
schaute ihm dabei zu und erklärte ihm, was er da gerade aß. Rodraeg erzählte
von seinen Jahren in Kuellen, und Baladesar erzählte ihm, daß er neuerdings
unter die Bibliothekare gegangen sei, denn der Rat der Stadt hätte ihm die
Verwaltung einer vorher in Privatbesitz befindlichen Sammlung von Schriften
anvertraut, und seit einem Jahr etwa habe Baladesar diesen Hort des Wissens
öffentlich gemacht und verbrachte jede freie Stunde mit vergilbten Pergamenten
und handkopierten Folianten.
    Â»Das hat meinen Augen
natürlich den Rest gegeben«, meinte er, nahm das Metallgestell von seiner Nase
und reichte es Rodraeg, der hindurchschaute, aber alles nur unscharf sah.
»Diese Gläser sind so geschliffen, daß sie das ausgleichen, was meinen Augen an
Sehkraft fehlt. Dank dieser Erfindung kann ich besser sehen als jemals zuvor.«
    Â»Stimmt, du hattest
schon als Junge Schwierigkeiten beim Bogenschießen, wenn das Ziel zu klein und
zu weit weg war.« Rodraeg gab seinem Freund das Gestell zurück. »Wer stellt so
etwas her?«
    Â»Bislang ein einziger
Glasschleifer hier in Aldava und noch einer in Fairai, aber es ist wohl nur
eine Frage der Zeit, bis sich das herumspricht und ein Riesengeschäft wird.
Damit kann vielen Menschen, auch älteren, wirklich geholfen werden.«
    Â»Bist du beteiligt?«
    Â»Nein. Sieh dich um.
Die Arbeit in meiner Kanzlei hat uns mehr als ausreichend ernährt, und für
diese Bibliotheksverwaltung bekomme ich nun nochmal eine ansehnliche Entlohnung
von der Stadt. Ich brauche nicht noch mehr Geld und habe auch gar keine Zeit
mehr übrig für

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