Die dunkle Quelle
antreten muÃte. Doch
Riban hatte nur geantwortet, bis Warchaim seien sie beide zehn Tage unterwegs,
und in spätestens fünf Tagen sei dank Naenns Kräuterpackungen sowieso nichts
mehr zu sehen. Rodraeg solle sich in Zukunft eben aus Raufereien raushalten.
Rodraeg war ganz benommen
und torkelig geworden von dem wabernden Geruch. Die prüfenden, mitleidlosen
Augen des altklugen Knaben hatten ihm zusätzlich zugesetzt. Wieder zurück in
den Katakomben hatte Rodraeg vergeblich auf bessere Atemluft gehofft.
SchlieÃlich muÃte er sich setzen, nachdenken und verschnaufen.
Naenn stellte sich
neben ihn. Der Gewölbegang leuchtete mattgold im Schein der Laterne. »Ihr habt
einen guten Eindruck gemacht«, sagte sie.
»Unsinn!« entgegnete
Rodraeg schärfer als beabsichtigt. »Dieser gräÃliche verwöhnte Junge haÃt mich,
und ich muÃte mich schon sehr zusammenreiÃen, um nicht verdammt wütend zu
werden. Ich weià selbst, daà ich kein berühmter Feldherr bin. Er könnte mir
aber trotzdem eine Gelegenheit zugestehen, die Dinge auf meine Art und Weise
anzupacken.«
Naenn seufzte.
»Vielleicht ist das alles meine Schuld. Ich habe Euch vorher absichtlich nichts
über Riban Leribin erzählt, weil ich wollte, daà Ihr Euch ein eigenes Urteil
bilden könnt, ohne von Mitleid beeinträchtigt zu werden.«
»Mitleid? Warum sollte
ich Mitleid haben mit einem reichen Muttersöhnchen, das noch dazu zaubern kann
und deshalb nur verächtlich auf den weniger privilegierten Rest des Kontinents
hinunterblickt?«
»Weil kein einziger
Eurer Eindrücke richtig ist. Zuerst einmal ist Riban kein Kind. Er war ein
angesehener Magier im stattlichen Alter von 64 Jahren, als der Bannfluch eines
miÃgünstigen Kontrahenten ihn traf, und er daraufhin begann zurückzualtern. Das
ist jetzt zehn Jahre her, und Riban ist bereits fünfzig Jahre jünger geworden.
In Wirklichkeit hat er also die Lebenserfahrung von 74 gelebten Jahren, aber er
leidet darunter, daà er immer kindischer wird und mehr und mehr von seinem
angesammelten Wissen vergiÃt. Es ist ein furchtbares Schicksal. Da er in einem
Jahr um fünf Jahre jünger wird, hat er nur noch drei Jahre zu leben. In einem
Jahr wird er neun Jahre alt sein, in zwei Jahren vier â es ist mehr als
fraglich, ob er dem Kreis dann überhaupt noch helfen kann.«
»Das ist ja furchtbar.
Hätte ich das vorher gewuÃt, dann â¦Â«
»Ja. Ihr könntet jetzt
zurückgehen und ihn mit einem neuen Blick betrachten, aber es wäre ein Blick
des Mitleids, Ihr könntet das nicht vor ihm verbergen. Für einen groÃen Mann
wie ihn ist es schrecklich demütigend, bemitleidet zu werden. Wegen seiner höher
werdenden Stimme. Dem schrumpfenden Leib. Dem immer schwerer unter Kontrolle zu
haltenden Jähzorn. Er hat es verdient, daà man in ihm nur einen Knaben sieht,
nicht einen sterbenden Verfluchten.«
Rodraeg war
erschüttert. »Dann ist der Kreis also â¦Â«
»â¦Â seine Idee, ja. Sein
Geisteskind. Bevor er sich zurückentwickelt haben wird zu einem nicht mehr
lebensfähigen Ungeborenen, möchte er noch etwas Gutes bewirken für den
Kontinent. Sein schwindendes Wissen, seinen schwindenden Einfluà und seine
schwindenden Fähigkeiten in den Dienst einer guten Sache stellen. Er hat den
Kreis gegründet. Er hatte die Idee zu der Warchaimer Einsatzgruppe. Er hat auch
mich ausgewählt und beauftragt, obwohl er weiÃ, daà er den Tag, an dem ich
stark genug sein werde, die Götter zurückzurufen, wahrscheinlich nicht mehr
erleben wird. Die gesamte Finanzierung stammt ebenfalls von ihm. Das Warchaimer
Haus, die Reisen des Kreises, das Geld, das Ihr der Gruppe bieten werdet â all
dies stammt aus dem Vermögen, das auszugeben Riban ohnehin keine Zeit mehr
bliebe. Und um so schwerer wiegt es, finde ich, daà er sich heute hat
überstimmen lassen. Er könnte auch sagen, er bezahlt alles, also trifft er die
Entscheidungen. Aber wenn Ilde und Gerimmir und ich anderer Meinung sind, dann
läÃt er uns gewähren. Somit gibt er zu, daà auch er sich irren kann. Riban
Leribin ist einer der groÃmütigsten Menschen, denen ich je begegnet bin.«
»Alles ergibt jetzt
erst einen Sinn«, dachte Rodraeg laut. »Der nicht ganz geschlossene Kreis: ein
Lebensweg, der zu seinem eigenen Ursprung zurückkehrt, noch nicht
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