Die dunkle Quelle
ganz
vollendet. Seine Ungeduld mir gegenüber, weil er weiÃ, daà er nicht genug Zeit
hat, mich in meine neue Aufgabe hineinwachsen zu sehen. Er miÃtraut den
Menschen, weil er das Leben eines Menschen gelebt hat, vorwärts wie rückwärts,
und weiÃ, daà dort weniger Wunder zu erwarten sind als zum Beispiel bei Eurem
Volk. Warum wollte Estéron nicht Anführer der Warchaimer Gruppe werden?«
»Er hat es sich nicht
zugetraut.«
»Verstehe. Ich verstehe
nun viel mehr. Danke, daà Ihr mich eingeweiht habt. Jetzt muà ich dringend an
die frische Luft, sonst fange ich an zu lallen und Lieder zu singen.«
»Der Geruch hier macht
Euch zu schaffen?«
»Ja. Euch denn gar nicht?«
»Ich bin das gewöhnt.
Das ist Feenrauch. Schmetterlingsmenschen benutzen ihn, um ungebetene Gäste
fernzuhalten â Lauscher, Kriecher und giftiges Gewürm. Hier in den Katakomben
wirkt er gegen Ratten und die Spione der Königin.«
»Und gegen ehemalige
Rathausschreiber. Schnell nach oben!«
Vor Erias Häuschen
vertraten sie sich die Beine. Es war längst dunkel, die StraÃen Aldavas wurden
von Hauslaternen beleuchtet, die zwischen ihren Lichtkreisen reichlich Raum für
Schatten lieÃen. Rodraeg schnaufte, als hätte er tagelang bei geschlossenem
Fenster auf seiner Schreibstube gearbeitet.
»Bei Eria ist nicht
genügend Platz für uns«, erklärte Naenn, »aber wir können uns ein Gasthaus
suchen, gut essen und zwei Zimmer nehmen.«
Rodraeg überlegte. »Die
Gasthäuser hier sind überfüllt, laut und unglaublich teuer. Könntet Ihr alleine
bei Eria unterkommen?«
»Was habt Ihr vor?«
»Ich würde gerne
Baladesar Divon aufsuchen. Immerhin habe ich ihm meine neue Aufgabe zu
verdanken. Ich finde es auch sinnvoll, wenn er erfährt, daà ich die Sache
übernommen habe.«
»Das ist eine gute
Idee. Ihr könnt dort unterkommen, und ich bin gerne noch eine Nacht bei Eria.
Treffen wir uns dann morgen am Tor Richtung Warchaim?«
»Holt mich besser vom
Haus Divon ab, Ihr wiÃt ja, wo es ist. Dann können wir noch gemeinsam Proviant
einkaufen, bevor es losgeht.«
»Gut. Ich wünsche Euch
eine angenehme Nachtruhe, Rodraeg.«
»Ich Euch auch, Naenn.«
Als sie winkend in
Erias Haus zurückging, empfand Rodraeg ein Bedauern, einen Verlust. Sieben
Nächte hatte er während ihrer gemeinsamen Reise nach Aldava in Naenns Gegenwart
verbracht, und schon fiel es ihm schwer, auf ihre Nähe zu verzichten.
5
Kiara
Das Haus Divon stand
ebenfalls nahe der inneren Mauer, aber in einem vollkommen anderen Viertel der
Stadt. Hier gab es umzäunte Anwesen mit Gärten und sogar mehrere Parks. Es war
der Südhang Aldavas, die Sonnenseite der Stadt. In den acht Jahren seit
Rodraegs letztem Besuch schien sich hier nicht viel verändert zu haben, aber
natürlich wirkte selbst die Sonnenseite bei Nacht finster und wenig einladend,
und Rodraeg öffnete seine Schwerttasche ein Stück, um bei einem Ãberfall nicht
wieder überrumpelt zu werden.
Er fand das Haus Divon
auf Anhieb. Von einer beschirmten Ãllaterne beleuchtet, schimmerten die Fassade
und die kunstvoll geschmiedete Metallgittertür in einer gewundenen StraÃe.
Rodraeg zog an dem Torglöckchen. Eine sonnenfeldisch aussehende Bedienstete
öffnete ihm und fragte nach seinem Begehr. Er entschuldigte sich für die späte
Stunde und nannte seinen Namen. Sie ging die Dame des Hauses verständigen.
Einen Sandstrich später
erblickte er Kiara hinter dem Gitter. Sie war immer noch sehr schön, wie sollte
sie das auch nicht sein, sie war jetzt knapp über dreiÃig, Mutter von
Baladesars Töchtern.
»Rodraeg«, sagte sie
sanft, »das ist so lange her, daà ich fragen muÃ, ob etwas geschehen ist.«
»Nichts Schlimmes.«
Rodraeg küÃte ihre zarte Hand, nachdem sie ihm geöffnet hatte, doch sie umarmte
ihn herzlich. Sie trug nur eine leichte Abendrobe, deshalb wagte er nicht, sie
ebenfalls zu berühren, sondern lächelte nur. Sie führte ihn durch den schmalen
Hausflur in den Innenhof, wo sich alle Sterne des Himmels in einem Teich
spiegelten.
»Was ist mit deinem
Gesicht geschehen?« fragte Kiara besorgt.
»Naja. Bin in eine
Rauferei geraten. Es ist mir einfach nicht gelungen, mich rauszuhalten.«
»Soll ich unserem
Medicus Bescheid geben?«
»Nicht nötig. Ich
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