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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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und prächtiges
Ritterturnier wäre dieses Andere. Oder eine Anstellung als Lehrer in einer
Gegend, wo niemand Lesen und Schreiben kann. Oder Kuellen mit seiner
Überschaubarkeit und seinem völlig unfähigen Bürgermeister. Aber das waren
alles nur Umwege. Den wirklich interessanten Pfad – den hast jetzt du in meine
Richtung umgebogen. Und dafür meinen Dank. Für alles andere in meinem Leben
übernehme ich ganz alleine die Verantwortung.«
    Baladesar schüttelte
grinsend den Kopf. »Weshalb haben wir uns dann eigentlich acht Jahre lang nicht
gesehen?«
    Â»Du hattest mit deiner
Familie zu tun, und ich habe von meinem geliebten Bürgermeister niemals die
sechzehn freien Tage am Stück genehmigt bekommen, die ich benötigt hätte, um
von Kuellen nach Aldava und wieder zurück zu reisen.«
    Baladesars Augen
leuchteten hinter den Gläsern. »Ich bin es, der zu danken hat, denn auch ich
werde heute nacht so gut schlafen wie schon lange nicht mehr.« Die Freunde
stießen mit ihren Tonbechern an, tranken ihren Holunderwein aus und
betrachteten lächelnd die beiden auf der dunklen Wasseroberfläche tanzenden Kerzen.
    Das Bett im Gästezimmer
war wärmer und weicher als das im Quellenhof . Rodraeg
schlief tief und ohne Träume. Als das Trappeln von Kinderfüßen auf dem Flur und
die hellen Stimmen der beiden Kinder ihn weckten, hatte er erst Mühe, sich
zurechtzufinden. Er dachte an Naenn, die vielleicht neben einer schnarchenden
Eria in deren Bett schlief.
    Er wusch und rasierte
sich gründlich und ging dann in die Küche. Am Frühstückstisch war die gesamte
Familie Divon versammelt. Die siebenjährige Sajle und die vierjährige Hegia
sahen Kiara ähnlicher als ihrem Vater, und beide waren unverkennbar reinblütige
Sonnenfelderkinder mit dichtem schwarzen Haar und dunklen Knopfaugen. Zu essen
gab es Kuhmilchquark mit Beeren, helles, knuspriges Brot und dazu Honig und
Stachelbeerkompott – ein süßes Frühstück ganz nach Rodraegs Geschmack. Kiara
beobachtete ihn schmunzelnd beim Brotbestreichen, während Baladesar mit
klebrigen Fingern in einem handgeschriebenem Gutachten blätterte, das eine der
Schriftrollen aus seiner Bibliothek betraf.
    Â»Was ist das eigentlich
für eine Schriftensammlung, die du da geeerbt hast?«
    Â»Ein wohlhabender
Sammler, der verstorben ist und seinen Besitz der Stadt vermacht hat.«
    Â»Wohlgemerkt der
Stadt«, warf Kiara ein, »nicht der Königin.«
    Â»Hat die Königin nicht
die Generalhoheit über alles, was Aldava betrifft?«
    Â»Naja.« Baladesar
verzog das Gesicht. »Königin Thada ist erst seit vier Jahren an der Macht.
Etliche der älteren einflußreichen Stadthonoratioren trauen ihr nicht über den
Weg und arbeiten ganz offen und entschlossen an ihr vorbei. Das ist alles sehr
merkwürdig, aber ich kann mich nicht erinnern, daß unsere Senatsbewegung jemals
so viele offene Ohren gefunden hat wie jetzt, wo Königin Thada auf dem Thron
sitzt.«
    Â»Weil sie eine Frau
ist, jung ist und ziemlich gut aussieht«, regte sich Kiara auf. »Deshalb traut
ihr kein Mann etwas zu. Daß eine Frau von der Erbfolge nicht ausgeschlossen
wird, geht gerade so in Ordnung, aber sobald sie sich anschickt, den
ausgetretenen Pfad ihrer Vorgänger zu verlassen, wäre sie doch besser gleich
nach ihrer Geburt ertränkt worden.«
    Â»Was tut sie denn so,
um die Alten zu erzürnen?«
    Kiara zählte auf. »Sie
läßt sich in der Außenstadt sehen. Redet dort mit mißgebildeten
Straßenbettlern. Sie mischt sich zusehends in die Belange des Stadtrats ein,
kümmert sich selbst um den Unrat vor ihrer Haustür. Gegen einen Mädchenhändlerring
ist sie nicht mit den üblichen Schmuckgardisten vorgegangen, sondern mit einer
Einheit echter Kriegssoldaten aus Endailon. Da ist kein Stein mehr auf dem
anderen geblieben. Dann wiederum hat sie aber auch die Elendsquartiere anderer
Städte im Visier und den Menschen dort Verbesserung ihrer Lebensumstände
versprochen.«
    Â»Chlayst«, ergänzte
Rodraeg.
    Â»Ja, Chlayst ist
besonders schlimm. Die Sümpfe der Umgegend dort sind im letzten Jahr wohl
umgeschlagen, und jetzt wehen giftige Dämpfe durch die ganze Stadt.«
    Â»Aber was verspricht
sich die Königin von ihrem Feldzug gegen die Affenmenschen? Neuen Lebensraum
für die Flüchtlinge aus den Sonnenfeldern und die

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