Die dunkle Schwester
Angst, dass sie total durchdrehen.«
»Du musst zurück und ihnen sagen, dass es dir gut geht«, bestimmte Titania.
Tania fuhr zusammen, weil ihr nicht klar gewesen war, dass alle ihr Gespräch mit anhörten. »Was in aller Welt soll ich ihnen denn als Erklärung auftischen? Nachdem sie deinen kaputten Wagen im Garten gefunden haben und die toten Vögel überall auf dem Küchenboden und das ganze Chaos im Haus. Wie soll ich ihnen das erklären?«
»Du musst es nicht erklären«, sagte Oberon. »Sag ihnen die Wahrheit, sag ihnen, wer du bist.«
»Das würde ich ja gern«, seufzte Tania. »Aber ich weiß genau, dass sie mir das nicht glauben werden. Sie denken wahrscheinlich, dass ich verrückt geworden bin.«
»Dann wirst du ihnen einen Beweis dafür liefern, dass du nicht verrückt bist«, sagte Titania lächelnd. »Vielleicht glauben sie ja mir, wenn ich ihnen erzähle, wer du wirklich bist?«
Tania starrte sie an. »Ist das dein Ernst? Du würdest mitkommen und mit ihnen reden?«
»Oh nein, niemals!«, rief Oberon gebieterisch. »Die Königin wird nie wieder einen Fuß in die Welt der Sterblichen setzen. Das ist eine Gefahr, der sie sich nicht aussetzen wird, solange Sonne und Mond die Welt regieren.«
»Nein, nein, du hast Recht«, murmelte Tania kleinlaut. »Das verstehe ich ja.«
»Doch gibt es einen anderen Weg«, sagte Titania und legte dem König ihre Hand auf den Arm. »Etwas, das deinen sterblichen Eltern jeden Zweifel nehmen wird, dass du die Wahrheit sprichst.«
Tania wirkte verwirrt.
»Errätst du denn nicht die Antwort?«, fragte Eden. »Du musst deine Eltern zu uns ins Elfenreich holen.«
Tania warf dem König einen fragenden Blick zu. »Kann ich sie wirklich mitbringen?«
»Ja, gewiss«, erwiderte Oberon. »Deine sterblichen Eltern sind ein Teil von dir, wie die Königin und ich. Und darin liegt deine Stärke, Tania: in der Verbindung von Elfenblut und sterblichem Blut, das in deinen Adern fließt. Diese Eigenschaft hat dein Schicksal bestimmt.«
»Die alten Texte sprechen die Wahrheit«, fügte Sancha hinzu. »Weder von einem Elfenwesen noch von einem Sterblichen konnte der Hexenkönig besiegt werden.«
Titania legte ihre Hand auf Tanias Arm. »Es war deine Doppelnatur, die uns den Sieg über Lyonesse brachte. Niemand außer dir hätte das vermocht, Tania. Niemand.«
Tania lächelte. »Kann ich jetzt meine Eltern holen, bitte?«
»Geh, und nimm meinen Segen«, sagte Oberon.
Tania stand schnell auf. Sie wandte sich zu Edric um und fragte: »Kommst du mit?«
Edric lächelte sie liebevoll an. »Worauf du dich verlassen kannst!«
XXIX
T itania schnalzte leise mit der Zunge und zog die Zügel an. Mit einem leisen Klingeln kam der Pferdewagen unter den Espen zum Stehen, die um den Braunen Turm wuchsen. Die Königin drehte sich lächelnd zu Tania und Edric um, die nebeneinander auf dem Rücksitz saßen.
»Ich warte hier auf euch«, sagte sie. »Viel Glück.«
»Danke!«, rief Tania und sprang hinter Edric aus dem Wagen. Der samtdunkle Himmel über ihnen war mit riesigen Sternen übersät, die so nahe wirkten, als müsse man nur die Hand nach ihnen ausstrecken. Würzige Waldgerüche wehten herüber, und irgendwo in der Nähe sang ein Ziegenmelker.
Edric ging zum Eingang des Turms und stieß die Tür auf. Tania zögerte einen Augenblick. »Das wird echt komisch«, sagte sie zu ihrer Elfenmutter, »ich meine, wenn meine beiden Moms und Dads zusammenkommen.«
Titania lachte. »Es wird sehr ungewohnt sein, das ist richtig.« Ihr Gesicht wurde plötzlich ernst. »Bist du dir sicher, dass du im Elfenreich leben willst?«, fragte sie. »Das ist eine schwerwiegende Entscheidung und du kannst es dir immer noch anders überlegen. Niemand hier wird deshalb schlecht von dir denken.«
»Machst du Witze?«, schnaubte Tania. »Ich gehöre hierher, das weiß ich jetzt. Ich habe das Gefühl, dass mein ganzes bisheriges Leben nur eine Ar t … wie soll ich sage n … Vorspiel war, eine Vorbereitung auf mein wirkliches Leben. Und das beginnt hier und jetzt. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja, mein Kind«, erwiderte Titania.
»Und es gibt noch so viel, woran ich mich erinnern will, so viel Neues zu erkunden. Ich will das Elfenreich bis in den letzten Winkel kennenlernen. Aber vor allem will ich Leiderdale sehe n – Zaras Lieblingsplatz. Ich glaube, es würde ihr gefallen, wenn ich dort hingehe.« Sie warf der Königin einen vorsichtigen Blick zu. »Und ich will auch nach Fidach Ren zurück und noch
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