Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Schwester

Die dunkle Schwester

Titel: Die dunkle Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frewin Jones
Vom Netzwerk:
einen wachen Verstand, Tochter«, sagte sie und fügte seufzend hinzu: »Es zerreißt mir das Herz, meine Kinder der Gefahr auszuliefern, aber ich werde deinem Rat folgen und im Wald bleiben.«
    »Nicht allein«, sagte Cordelia. »Ich bleibe bei unserer Mutter, falls der Feind sie hinterrücks überfällt.« Entschlossen zog sie ihr Kristallschwert. »Ihr wird nichts geschehen, solange ich an ihrer Seite bin, dessen seid gewiss.«
    Sancha nahm den Beutel, den sie über ihrer Schulter getragen hatte, herunter und reichte ihn Cordelia. »Du hütest Mutters Krone, bis wir zurück sind.«
    Cordelia nahm den Beutel entgegen. »Das werde ich tun.«
    »Wohlan, so sei es«, sagte Titania. »Edric, Sancha, Tania und Zara, ihr geht in den Palast, und ich warte hier und bete, dass ihr den König findet und heil zurückkehrt.«
    »Wir sind zu viert und besitzen nur zwei Schwerter«, sagte Zara. »Wer von uns wird der Gefahr unbewaffnet entgegentreten?«
    »Ich brauche vorerst keine Waffe«, antwortete Edric und gab sein Schwert Tania. »Mir ist es lieber, wenn du dich verteidigen kannst.«
    »Auch ich kann meine Waffe entbehren«, sagte Sancha. »Lasst Tania und Zara unsere Schwertkämpferinnen sein.«
    Tania starrte auf den rauchverhüllten Palast und das Schwert in ihrer Hand. Sie fragte sich, welche Gräuel sie an diesem traurigen Ort noch erwarteten. Doch dann richtete sie sich entschlossen auf und verdrängte ihre Angst. Für trübe Gedanken war jetzt keine Zeit.
    »Bereit?«, fragte Edric leise.
    Tania nickte und biss die Zähne zusammen. Was blieb ihr anderes übrig?
    Sie wurde gebraucht im Elfenreich.

II
    T ania und die anderen durchquerten lautlos die Obst- und Weingärten des Palastes. Auch hier war alles verwüstet: An den Bäumen faulten die Früchte, und die Trauben verschrumpelten am Rebstock, grau und pelzig vor Schimmel. Die gärenden, matschigen Früchte verbreiteten überall den Gestank von Fäulnis.
    Endlich erreichten sie den Palast, an einer Stelle, die noch gut eine Meile von den königlichen Gemächern entfernt war.
    »Ich gehe als Erste«, verkündete Tania, als sie den hohen Torbogen durchschritten. »Haltet euch dicht hinter mir, geht immer einer hinter dem anderen. Zara, du bildest die Nachhut. Ich kenne mich in diesem Teil des Palastes nicht so gut aus, Edri c – wie kommen wir zum Verlies?«
    »Das erkläre ich dir unterwegs«, erwiderte Edric.
    Tania sah ihm kurz in die Augen, um Mut zu schöpfen für das, was vor ihr lag.
    »Ich liebe dich«, flüsterte Edric.
    »Ich dich auch«, sagte Tania lächelnd. »Lass uns gehn.«
    Dann setzten sie sich in Bewegung, Tania lief an der Spitze, Edric dicht hinter ihr, Sancha und Zara bildeten den Schluss. An jeder Ecke, jeder Abzweigung, jedem Torbogen hielt Tania an und prüfte vorsichtig, ob die Luft rein war, ehe sie sich über den nächsten offenen Hof wagten.
    Es war schrecklich, die Prunksäle und Banketthallen so öde und verlassen zu sehen. Noch vor wenigen Tagen war hier alles voller Ausgelassenheit gewesen, jetzt herrschte Totenstille. Eine schreckliche Angst stieg in Tania auf und vergrößerte sich mit jedem weiteren Palasthof, der stumm und verlassen unter dem rauchigen Himmel lag.
    Schließlich traten sie durch eine offene Tür in ein kleines Privatgemach, in dem die Spuren der Gewalt nicht zu übersehen waren: Ein Tisch lag umgestürzt am Boden, ein Fenster war zerschmettert, und im Türpfosten steckte ein Pfeil. Die kostbaren Wandbehänge waren mit dem Schwert zerfetzt worden.
    »Meinst du, hier sind alle heil herausgekommen?«, flüsterte Tania Edric zu.
    Edrics Gesicht verdüsterte sich. »Nein«, murmelte er. »Das glaube ich nicht.«
    Tania schauderte. »Ich auch nicht.«
    »Wenn es nicht unsere Aufgabe wäre, den König zu befreien«, zischte Zara, »so würde ich mich mit Freuden auf den Feind stürzen und ihm heimzahlen, was er uns angetan hat.«
    »Ich auch«, sagte Tania grimmig. »Aber das dürfen wir nicht.«
    »Nein«, warf Sancha ein. »Wie denn auch? Wir vier gegen eine ganze Armee von Grauen Rittern? Cordelia mag das für aussichtsreich halten, ich nicht.« Sie spähte den Flur entlang. »Wir sind in der Nähe der königlichen Gemächer, und mein Herz sagt mir, dass wir nur zu bald auf das verfluchte elende Pack von Lyonesse stoßen werden.«
    Immer verstörender wurden die Spuren des brutalen Überfalls: dunkle Blutflecken, zerbrochene Elfenschwerter auf den kostbaren Teppichen, ein zerfetzter, blutgetränkter Umhang auf einer

Weitere Kostenlose Bücher